KURZBIOGRAHIE
Phil Emberley, Kanada
Sohn von
Dieter Werner Eger, später Dennis Walter Emberley, geb. 1925 in Frankfurt am Main
Flucht mit dem Kindertransport nach GB am 25. August 1939
Enkel von
Berthold Eger, geb. 1895 in Saarbrücken, Händler
Minna (Mina) Eger, geb. Hamburger, geb. 1891 in Frankfurt am Main
Deportiert nach Lodz/Litzmannstadt am 19. Oktober 1941, für tot erklärt
Urenkel von
Mathilde Hamburger, geb. 1868 in Offenbach
Deportiert nach Theresienstadt am 1. September 1942
Wohnadressen der Familie in Frankfurt am Main:
Gwinnerstraße 3, ab 1939: Friedberger Anlage 15
Quellen:
Hessisches Landesarchiv Wiesbaden
Jüdisches Museum, Deportiertendatenbank
Yad Vashem: Shoa Victims Names
Arolsen Archives
Bundesarchiv, Online-Gedenkbuch
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
Informationen von Phil Emberley: Fragebogen, Auszüge aus dem Tagebuch seiner Vaters, Fotos, Korrespondenz
Ottawa Jewish E-Bullitin (abgerufen am 29.03.2024)
Centre for Holocaust Education and Scholarship Newsletter Vol. 2, No. 3, June 2022 (Zugriff am 29.03.2024)
Fotos:
Fotos vom Besuch in Frankfurt: Angelika Rieber
Familienarchiv
Text und Recherchen:
Angelika Rieber
Familie Eger
„In der kommenden Woche wiederholt sich der tiefe Kummer …“
Von Angelika Rieber
Im Oktober 2023 besuchte Phil Emberley Frankfurt. Dort wurde sein Vater Dieter Werner Eger 1925 geboren. Am 25. August 1939 konnte der 13-jährige Junge Deutschland mit einem Kindertransport verlassen. Seine Eltern sah er nicht wieder. Sie wurden am 19. Oktober 1941 in das Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert. Dieter Werner Eger, der sich später Dennis Walter Emberley nannte, sprach nicht viel über die Vergangenheit. Erst durch sein Tagebuch erfuhren seine Söhne Näheres über die traumatischen Erfahrungen des Vaters, seine Flucht aus Deutschland und die Ermordung der Großeltern.
Von Saarbrücken nach Frankfurt
Berthold Eger kam 1895 in Saarbrücken als Sohn von Jacob Eger und seiner Ehefrau Bertha Eger, geb. Ullmann, zur Welt. Nach seiner Ausbildung an der Handelsschule wurde er als Handelsvertreter tätig. Während des Ersten Weltkriegs kämpfte er als Soldat der deutschen Armee in Frankreich und wurde schwer verwundet, denn er verlor eine Niere. Sein Sohn Werner erinnerte sich daran, dass der Vater eine Kiste mit Kriegserinnerungen besaß, die er nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verbrannte.
1920 zog Berthold Eger mit seinen Eltern nach Frankfurt. Dort heiratete er die Buchhalterin Minna (Mina) Eger, geb. Homburger. Am 11. November 1925 wurde der Sohn Dieter Werner in Frankfurt geboren. Berthold Eger arbeitete bis zu seiner Entlassung 1938 als Geschäftsführer der Firma Gebrüder Krug GmbH. Bereits vorher war er degradiert und von seiner leitenden Funktion als Geschäftsführer abgesetzt worden.
Die kleine Familie lebte in einfachen Verhältnissen in der Gwinnerstraße 3 im 3. Stock. Die Wohnung war der Mittelpunkt der beiden Familien Homburger und Eger. Neben Dieter Werners Großmutter Mathilde Homburger lebten dort auch deren Eltern, Eduard und Clara Homburger. Nach deren Tod 1929 und 1930 zogen Berthold Egers Mutter Bertha und sein Bruder Theodor in die Gwinnerstraße.
Dieter Werner fühlte sich von seinen Eltern und Verwandten sehr geliebt. An die Schule hatte er jedoch keine guten Erinnerungen. Dort sah er sich wegen seiner jüdischen Herkunft ausgegrenzt und verspottet. Besonders fürchtete er sich vor dem Schulweg, weil er ständig Angst hatte, verprügelt zu werden. An seine Klassenkameraden konnte er sich nicht mehr erinnern, Namen und Gesichter waren wie ausgelöscht.
Mina Eger sorgte sich sehr um ihren Sohn. Als er von einer der wenigen Geburtstagsfeiern, zu denen er eingeladen war, nicht rechtzeitig zurückkam, rief seine Mutter dort an und bat, ihn sofort nach Hause zu schicken. Sie sorgte sich um seine Sicherheit auf dem Weg nach Hause. Zehn Minuten hatte sie zu einer öffentlichen Telefonzelle laufen müssen, um diesen Anruf zu tätigen.
In seinen Tagebucheintragungen berichtete Dennis Emberley von einer illegalen Aktion, die sich in sein Gedächtnis eingegraben hatte. Einmal schlich er sich mit seinem Vater in ein Fußballspiel ein. Aus Angst, entdeckt zu werden, zeigten sie zu Beginn des Spiels den Hitler-Gruß.
Dennoch gab es Nachbarn und Bekannte, die zu ihnen hielten, darunter die Familie Hettler. Mit ihnen nahm Dieter Werner Eger/Dennis Walter Emberley nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Kontakt auf, in der Hoffnung, von ihnen zu erfahren, was mit seinen Eltern und der Großmutter geschehen war.
11. November 1938: 13. Geburtstag von Dieter Werner Eger
Das Novemberpogrom 1938 war ein Wendepunkt im Leben von Dieter Werner Eger. Anfang November 1998 schrieb er dazu in sein Tagebuch: „In der kommenden Woche wiederholt sich der tiefe Kummer, der mich jedes Jahr in Erinnerung an die schrecklichen Dinge, die meinen Eltern widerfahren sind, überkommt. Es ist alles so schrecklich, dass man es einfach nicht vergessen und auch nicht beiseiteschieben kann.“ Die tragischen Ereignisse haben ihn nie wieder losgelassen.
Dieter Werner war gerade dabei, sich auf seine bevorstehende Bar-Mizwa vorzubereiten, denn sein 13. Geburtstag stand am 11. November bevor. Zweifellos war dieses wichtige Ereignis lange im Vorhinein geplant worden und Dieter hatte die Gebete und den entsprechenden Abschnitt aus der Thora bereits gut geübt und sich mit der Zeremonie vertraut gemacht. Eine letzte Probe sollte am 9. November stattfinden. Bislang ist nicht bekannt, welcher Synagoge die Familie angehörte. Möglicherweise waren sie Mitglieder der Synagoge in der Friedberger Anlage, vermutet Phil Emberley. Die Synagoge, in der Dieter Werners Bar-Mizwa stattfinden sollte, wurde wie die meisten anderen Synagogen niedergebrannt, sein Vater Berthold verhaftet und als sogenannter „Aktionsjude“ in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Dort wurde er vom 13.-30. November 1938 unter der Häftlings-Nummer 29853 geführt. Sein Sohn Dieter fragte sich zeit seines Lebens, warum sein Vater zu der Gruppe von 30 000 Juden gehörte, die im Zuge des Novemberpogroms in ein Konzentrationslager verschleppt wurden. „Er gehörte keiner politischen Organisation an und war auch sonst in keinster Weise auffällig. Weil er Frontsoldat war, wurde er nach zehn Tagen entlassen.“ Wir wissen heute, dass er allein wegen der Tatsache verhaftet wurde, dass er Jude war.
Zurück aus der KZ-Haft war Berthold Eger arbeitslos. Er fand schließlich für einen Wochenlohn von 45 Reichsmark eine Beschäftigung als Packer und Lagerist beim Jüdischen Kulturbund in der Kronprinzenstraße 12. Der Jüdische Kulturbund in Deutschland war eine Selbsthilfeorganisation für vom Berufsverbot betroffene jüdische Künstler und ermöglichte gleichzeitig Juden während der Zeit des Nationalsozialismus den Besuch von kulturellen Veranstaltungen. Bis 1941 wurde der Kulturbund geduldet und im selben Jahr aufgelöst.
Im September 1939 zog die Familie, möglicherweise aus ökonomischen Gründen, in eine Erdgeschosswohnung in der Friedberger Anlage 15 um. Im Adressbuch von 1941 wird Berthold Eger nicht mehr wie zuvor als Kaufmann geführt, sondern mit der Berufsbezeichnung „Lagerist“.
Schweren Herzens entschlossen sich Berthold und Minna Eger, ihren Sohn Dieter Werner mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken. Am 25. August 1939 verließ der 13-jährige Junge Deutschland. Wie die anderen Kinder auch, glaubte er, seine Eltern bald wiederzusehen. Wenige Tage später begann der Zweite Weltkrieg. Damit endeten auch die rettenden Kindertransporte in das Königreich. Da das Ehepaar aufgrund des Kriegsbeginns ihrem Sohn nicht mehr nach England folgen konnten, planten Minna und Berthold Eger im Juni 1940 ihre Flucht in das nordamerikanische Exil.
Sie hatten die erforderlichen Unterlagen wie ein Verzeichnis des Umzugsgutes bereits angelegt und eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ eingereicht. In dem am 14. Mai 1940 gestellten Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut gibt Berthold Eger an, dass er mit seinem kargen Einkommen als Lagerist und Packer auch noch seine Schwiegermutter unterstützt. Wie wichtig ihm seine Auszeichnung aus dem Ersten Weltkrieg ist, kann man an der Tatsache ersehen, dass unter Nr. 26 des Umzugsgutverzeichnisses der „am Körper befindlichen Sachen“ unter anderem das „Ehrenfrontkämpfer-Abzeichen“, das er noch 1935 für seinen Einsatz als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg erhalten hatte, aufgeführt ist. Warum dem Ehepaar die Flucht nicht mehr gelang, geht aus den vorliegenden Dokumenten nicht hervor.
Ihr Sohn Dieter Werner Eger hatte über das Internationale Rote Kreuz in der Schweiz noch bis zur Deportation Kontakt mit seinen Eltern. Das Ehepaar Berthold und Minna Eger wurde am 19. Oktober 1941 mit der ersten großen Deportation aus Frankfurt nach Lodz verschleppt. Das Todesdatum und der Todesort sind bislang nicht bekannt.
Auch Phil Emberleys mütterliche Urgroßmutter Mathilde Homburger wurde Opfer des Holocaust. Sie wurde am 1. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 14. Dezember 1943 starb.
Flucht in letzter Minute
Der jüngere Bruder seines Großvaters, Berthold Egers Bruder Theodor, konnte noch in letzter Minute in die USA entkommen. Theodor Eger, 1902 in Saarbrücken geboren, wurde nach seiner Schulausbildung in Saarbrücken, dem Besuch der Klingerschule in Frankfurt und eines Konservatoriums in Frankfurt Musiker. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, war er außerdem im Lebensmittelhandel tätig. Neben Engagements mit verschiedenen Musikkapellen u.a. in Hotels und Restaurants betätigte sich Theodor Eger als Pianist bei der Ballettschule von Gretel Hauck und Trude Auerbacher und anderen Sportschulen. Er habe sich auf rhythmische Begleitung von Turnen und Sport spezialisiert, erläutert er in seinem Restitutionsantrag.
Seit 1938 war er als Aushilfskraft und Turnlehrer in der Volksschule des Philanthropin beschäftigt. Während des Novemberpogroms wurde er wie sein Bruder Berthold am 12. November 1938 als sogenannter „Aktionsjude“ verhaftet und war bis zum 2. Februar im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.
Seine Auswanderungsbemühungen realisierte Theodor Eger erst in letzter Minute. Am 25. April 1940 heiratete er die Tänzerin Lucie Rosa Häfner, geb. Eisenheimer, mit der er zusammen im Großen Wollgraben 20 lebte.
Vermittelt durch einen Onkel in den USA verließ Lucie Eger Frankfurt im Juni 1941. Ihr Mann folgte zwei Monate später, am 13. August 1941. Davor sah er sich mit ständigen Reklamationen der „Devisenstelle“ konfrontiert. Sein Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut beinhaltete auch ein gebrauchtes Akkordeon, einen Smoking und Lackschuhe, die von der Behörde von der Liste gestrichen wurden, obwohl er erklärt hatte, diese Gegenstände seien zur Ausübung seines Berufs notwendig.
Schließlich floh Theodor Eger Ende August 1941 in letzter Minute über Portugal mit dem Schiff Mouzinho in die USA. Am 2. September 1941 erreichte er New York, wenige Wochen vor dem im Oktober mit dem Beginn der Deportationen verfügten Auswanderungsverbot. (HHStAW)
„Enemy Alien“
In Großbritannien angekommen wurde Theodor Egers Neffe Werner in einem Kinderheim untergebracht, das von einem pensionierten britischen Soldaten betreut wurde. Sehr bald begann Werner zu einem geringen Gehalt auf einer Farm zu arbeiten. Befremdlich war für ihn, den Flüchtling aus Deutschland, dass er in England als „feindlicher Ausländer“ (enemy alien) angesehen wurde. „Ist es ein Wunder, dass es beängstigend war, als 14-17-Jähriger als ´Feind` eingestuft zu werden? Meine einzige Identifizierung war übrigens meine Geburtsurkunde (die ich immer noch habe), nicht mehr und nicht weniger“, vermerkte er in seinem Tagebuch vom 13. Dezember 1998.
Dieter Werner begann seine Herkunft zu verleugnen. „Ich vermute, ich habe mich auch immer geschämt und Angst gehabt, meinen ursprünglichen religiösen Hintergrund zu erwähnen. Folglich habe ich dies nie jemandem gegenüber erwähnt, höchstens vielleicht einem halben Dutzend Menschen auf der ganzen Welt.“ Er trat mit 17 Jahren in die britische Armee ein, wurde britischer Staatsbürger, trat der anglikanischen Kirche bei und änderte seinen Namen 1947 in Dennis Walter Emberley.
Dennis Walter Emberley wurde Berufsoffizier der britischen Armee. Einige Jahre war er als Offizier der UN im Gaza-Streifen und in Lahr in Deutschland stationiert. Für seine Verdienste wurde er mit dem kanadischen Order of Military Merit und 1990 für seine Verdienste für das britische Commonwealth zum Member of the British Empire (MBE) ernannt, einer der wenigen Kanadier, dem beide Auszeichnungen zuteilwurden.
Bei einem seiner Besuche in Deutschland lernte Dennis 1953 seine spätere Frau Ursula Warmbier kennen, eine nichtjüdische Deutsche, die bei der US-Botschaft angestellt war. Sie heirateten und wanderten 1955 nach Kanada aus.
Lange zögerte der frühere Frankfurter, Entschädigung zu beantragen. Als er sich schließlich dazu entschloss, war es zu spät. In seiner Begründung an die Entschädigungsbehörde, weshalb er den Antrag nicht rechtzeitig stellen konnte, kommt seine Bitterkeit über das Schicksal seiner Familie deutlich zum Ausdruck.
Nach erfolgreicher beruflicher Tätigkeit erlitt Dennis Walter Emberley 1977 einen Nervenzusammenbruch. Erst in diesem Zusammenhang erfuhren die beiden Söhne etwas von seiner Flucht mit dem Kindertransport und dem Schicksal der Großeltern Berthold und Minna Eger und der Urgroßmutter Mathilde Homburger. Dennoch konnte sich der frühere Frankfurter seinen beiden Söhnen nicht direkt mitteilen. Erst durch die Tagebucheinträge ihres 2006 verstorbenen Vaters erfuhren sie nach seinem Tod mehr über die traumatischen Erfahrungen ihres Vaters.
Nach seiner Pensionierung engagierte sich Dennis Emberley ehrenamtlich und wurde bei der Opferhilfe der Kanadischen Nationalpolizei tätig. Er fragte sich in seinem Tagebuch, wie wohl Psychologen dieses Engagement bewerten würden. „Ist es vielleicht eine Umkehrung der Gefühle, die ich schon früh in meinem Leben gegenüber der Gestapo und der deutschen Polizei hatte, obwohl es außer der allgemeinen Angst keinen Grund gab, mich als Kind so zu fühlen?
Ich frage mich manchmal ernsthaft, was im späteren Leben mit all den Menschen geschah, die Nazi-Organisationen angehörten und offensichtlich nicht alle vor Gericht gestellt und bestraft werden konnten. Ja, ich weiß, sie haben die Seiten gewechselt (changed their allegiance).“
Das Tagebuch zeigt, wie intensiv sich Dennis Emberley mit seiner Vergangenheit beschäftigte und darüber nachdachte, wie seine traumatischen Erfahrungen sein Handeln beeinflussten.
Through Their Eyes
Die Geschichte seines Vaters hat Phil Emberley nachhaltig geprägt, weniger als in jungen Jahren spürte er später die tiefe Trauer seines Vaters und fühlt sich daher verpflichtet, über die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Als Vater eines Teenagers stellt er sich immer wieder die Frage, ob er es übers Herz bringen könnte, seinen Sohn in einen Zug zu setzen, ohne zu wissen, ob er ihn je wiedersehen würde?
Phil gehört dem Board des Center of Holocaust Education and Scholarship in Ottawa an und ist Mitglied einer Gruppe von Nachfahren, die in Schulen und im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen über die Erfahrungen ihrer Eltern sprechen.
In Ottawa macht er sich für das Projekt „Through Their Eyes“ stark. Die Erinnerungsarbeit steht in Kanada wie in Deutschland vor neuen Herausforderungen. Wie soll an den Holocaust erinnert werden, wenn die Zeitzeugen der NS-Zeit nicht mehr da sind? Ähnlich dem Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt spielen bei der Arbeit des Projekts der Stadt Ottawa, “Through Their Eyes”, die Nachfahren der Holocaust-Überlebenden eine zentrale Rolle. Die Nachkommen haben zwar nicht die gleichen Erfahrungen wie die Zeitzeugen des Nationalsozialismus gemacht, aber sie sind mit den Nachwirkungen der traumatischen Erfahrungen ihrer Eltern aufgewachsen und davon geprägt. Die „Zweitzeugen“ können die Geschichte ihrer Familie an jüngere Menschen weitergeben und von den Gefahren, den Verlusten, der Trauer, den Hoffnungen, der Verzweiflung, aber auch der Widerstandskraft der Verfolgten berichten. Die Biografien und Familiengeschichten können in diesem Sinne nicht nur zu einem besseren Verständnis der Nachwirkungen des Holocaust beitragen, sondern auch für die Folgen von Unrecht sensibilisieren, wo immer es geschieht. Das Projekt Through Their Eyes unterstützt die Nachkommen der Überlebenden bei ihren Recherchen, beim Schreiben und beim Aufbereiten ihrer Geschichte mit dem Ziel, Dokumente, Texte oder Filme für die pädagogische Arbeit zu erstellen.
2023 besuchte Phil Emberley zusammen mit seiner Frau Frankfurt, die Geburtsstadt seines Vaters, und ging dort auf Spurensuche. Einige Jahre vorher hatte er mit seinem Sohn Frankfurt und Dachau besucht. Damals hatte ihn besonders die Gedenkwand am Börneplatz beeindruckt. Bei dem Besuch 2023 zog es ihn neben Frankfurt auch nach Lahr in den Schwarzwald. Dort hatte Phil einige Jahre seiner Kindheit verbracht. Bei seinem Besuch 2023 hat ihn das Waisen-Karussell beeindruckt, das Denkmal, das an die Kindertransporte erinnert, mit denen auch Phils Vater gerettet werden konnte.
Dankbar ist er für die Recherchen im Hessischen Landesarchiv und anderen Archiven, durch die er wichtige Informationen und Ergänzungen zu den Tagebucheinträgen seines Vaters erhalten konnte. Phils kurzer Besuch in Frankfurt fiel genau auf den Tag, an dem vor 82 Jahren seine Großeltern nach Lodz deportiert worden waren. Dankbar nahm er das Angebot an, an einer Gedenkveranstaltung der Stadt Frankfurt in der Paulskirche teilzunehmen, die an die erste Deportation aus Frankfurt am 19. Oktober 1941 erinnerte, und war tief bewegt. Seine Großeltern gehörten damals zu den Deportierten.
Phil Emberley freut sich darauf, bei seinem nächsten Besuch in der früheren Heimat seines Vaters mit Schülerinnen und Schülern in Frankfurt zu sprechen.