KURZBIOGRAPHIE

Licco Amar

Geboren am 4. Dezember 1891 in Budapest

Beruflicher Werdegang bis 1933:

  • Musik-Studium in Budapest und in Berlin
  • Konzertmeister beim Philharmonischen Orchester in Berlin, dem Nationaltheater in Mannheim und dem Südwestdeutschen Rundfunkorchester
  • Zusammen mit Paul Hindemith Gründung des Amar-Quartetts

Wohnadresse in Frankfurt: Gärtnerweg 5

Verfolgung und Emigration:

  • 1933 Entlassung durch das Südwestdeutsche Rundfunkorchester, Ausschluss aus der Reichsmusikkammer
  • 1934 Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft
  • 1934/35 Emigration in die Türkei
  • 1938 Tätigkeit beim Staatskonservatorium in Ankara
  • 1957 Rückkehr nach Deutschland, Professur in Freiburg

Gestorben am 19. Juli 1959 in Freiburg


Quellen:

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
  • Briefe und Dokumente des Hindemith-Instituts
  • Hauptstaatsarchiv Stuttgart
  • Auskünfte der Familie Grabert
  • Auskünfte von Oktay Dalaysel
  • Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit
  • Siehe auch Quellenangaben unter:
    Angelika Rieber: Hier gibt es eine Welt aufzubauen. Biographisches zu dem Geiger Licco Amar; in: Hindemith-Jahrbuch 2009, Mainz 2009

Fotos, Briefe und Dokumente

  • Familie Grabert
  • Oktay Dalaysel

Recherchen und Text:
Angelika Rieber

Licco Amar

„Zunächst weiß ich wohl, dass ich, wie alle Emigranten, Deutschland entfremdet bin“

Von Angelika Rieber

„Der Violinvirtuose Licco Amar ist in Freiburg im Breisgau im Alter von 67 Jahren gestorben. Sein Name ist mit dem Durchbruch der neuen Musik in den zwanziger Jahren eng verbunden.“ So schrieb die F.A.Z anlässlich des Todes von Amar am 19.7.1959. Heute kennen nur wenige Licco Amar, den die Badische Zeitung als einen der bedeutendsten Vorkämpfer moderner Kammermusik bezeichnete. Amar war aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach dem Beginn der Nazi-Herrschaft gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er emigrierte in die Türkei und kehrte erst 1957 wieder nach Deutschland zurück, wo er zwei Jahre später starb.

David Licco Amar wurde am 4.12.1891 in Budapest (Ungarn) geboren. Die väterliche Familie stammte aus Mazedonien, das damals zum Osmanischen Reich gehörte. Der Vater, der Kaufmann Michael Amar, war in Belgrad geboren, die Mutter, Regine Amar, in Brünn (heute Tschechien, damals Österreich-Ungarn). In Budapest besuchte Amar das Evangelische Gymnasium, wo er 1909 sein Abitur ablegte. Nach anfänglichen Geigenstudien in Budapest kam der junge Geiger 1911 nach Berlin, um dort Musik zu studieren. Seine künstlerische Laufbahn begann er 1912 als zweiter Geiger im Marteau-Quartett und beim Philharmonischen Orchester in Berlin. 1920 wechselte er als Konzertmeister an das Nationaltheater nach Mannheim, wo er bis 1923 tätig war. In den 20er Jahren war er überwiegend mit dem Amar-Quartett und als Solist im In- und Ausland unterwegs. Ab 1929 arbeitete er als Konzertmeister und Solist für das Südwestdeutsche Rundfunkorchester in Frankfurt a. M.

„Sein Name ist mit dem Durchbruch der neuen Musik in den zwanziger Jahren eng verbunden“

Bekannt wurde Amar durch das nach ihm benannte Amar-Quartett, das er zusammen mit Paul Hindemith gegründet hatte. Ursprünglich war das Quartett 1921 lediglich zusammengekommen, um Hindemiths Zweites Streichquartett im Rahmen der Donaueschinger Kammermusiktage uraufzuführen. Das Ensemble rund um Licco Amar blieb zusammen mit dem Ziel, die neue Musik zu fördern und zu verbreiten. Das Quartett gehörte zu den bedeutendsten Trägern avantgardistischer Kammermusik und war weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Neben Aufführungen in Deutschland trat das Quartett in verschiedenen europäischen Ländern auf, unter anderem auch in der Sowjetunion. Werke von Karol Szymanowsky, Igor Strawinsky, Ernst Krenek, Béla Bartók und anderen gehörten zum Programm des Quartetts. Musiker und Komponisten arbeiteten eng zusammen.

Mit Paul Hindemith stand Amar in engem brieflichem Kontakt. Zunächst siezten sie sich, später wird die Korrespondenz persönlicher. Abwechselnd wird Amar darin Likör, Amor oder Li genannt. Über die Stücke, die sie aufführten, setzten sich die beiden eifrig auseinander und planten ihre Auftritte. Auch finanzielle Fragen und Probleme wurden in ihren Briefen erörtert. 1929 verließ Paul Hindemith das Quartett, da er eine Professur an der Berliner Hochschule erhalten hatte.

Neben der Konzerttätigkeit war Licco Amar auch auf musikwissenschaftlichem Gebiet aktiv. Er veröffentlichte mehrere Artikel über die Neugestaltung des Musikunterrichts und der Ausbildung der Musiker, die den russischen Komponisten und Leiter des Leningrader Konservatoriums 1931 veranlassten, Amar dort eine Professur anzubieten, die dieser allerdings nicht annahm.

Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit

Wie für viele „nichtarische“ Musiker führte der Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 auch für Licco Amar zu einem tiefen Einschnitt in seiner beruflichen Laufbahn und in seinem Leben. „Gemäß Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums kündigen wir hierdurch Ihr Vertragsverhältnis zum 31. Juli d. Js.“ teilte ihm der Südwestdeutsche Rundfunk am 28. Juni 1933 mit. Ein Jahr später wurde ihm auch die 1927 erworbene deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Der „Widerruf der Einbürgerung und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ erstreckte sich auch auf seine „arische“ Ehefrau Emmy Amar.

Seinen Antrag auf weitere Berufsausübung als Musiker lehnte die Reichsmusikkammer 1935 endgültig ab, da er „nicht die erforderliche Eignung im Sinne der nationalsozialistischen Staatsführung“ besitze. „Durch diese Entscheidung verlieren Sie mit sofortiger Wirkung das Recht zur weiteren Berufsausübung auf jedem zur Zuständigkeit der Reichskammer gehörenden Gebiet.“

Amar ging zunächst 1933/34 nach Paris und entschloss sich Ende 1934, in die Türkei zu emigrieren. Offensichtlich plagten ihn finanzielle Sorgen. Um seine Auswanderung finanzieren zu können, war er auf die finanzielle Hilfe von Bekannten angewiesen. Dafür musste er seine wertvolle Geige, ein Hochzeitsgeschenk des Schwiegervaters, hinterlegen.

„Hier gibt es eine Welt aufzubauen“

Zunächst war Licco Amar ab 1935 in Istanbul als Solist und Lehrer am Konservatorium tätig. Materiell war er anfangs nicht abgesichert. „Meine Stellung ist, solange es mir nicht gelingt, bei der Regierung anzukommen, natürlich moralisch groß, aber materiell bescheiden. Ich bin von der englischen Kolonie für Kammermusikabende gewonnen, so dass ich vorläufig meinen Lebensunterhalt verdiene.“ Amar lernte eifrig Türkisch, um sich besser verständigen zu können. Seine Frau und deren Tochter blieben zunächst in Deutschland. „Bevor ich nicht angestellt bin, kann ich gar nicht daran denken, meine Frau und das Kind hierher kommen zu lassen.“ Amar hoffte auf eine angemessene Stellung beim Aufbau des Staatskonservatoriums.

Bereits während seines vorübergehenden Aufenthaltes in Paris hatte er ein Gutachten zur türkischen Musikreform geliefert: „Denkschrift über die Neuordnung der Musikerziehung in der Türkei“. Sie wird als erstes ausländisches Expertengutachten zu dieser Frage betrachtet.

Mit Paul Hindemith, der 1935 einen Auftrag als Berater der türkischen Regierung zur Reform des Musikwesens in der Türkei erhalten hatte, stand Amar weiterhin in ständigem brieflichem Kontakt. Amar freute sich auf eine mögliche Zusammenarbeit mit Hindemith und war voller Tatendrang. Die Entwicklungsmöglichkeiten in der Türkei beurteilte er äußerst positiv und bemerkte, „dass dieses Land einen großen und raschen Aufstieg nimmt, und wenn es so weiter geht, so werden hier in einigen Jahren die Versäumnisse der letzten Jahrhunderte nicht mehr spürbar sein.“

Ernüchternd war allerdings die Bilanz des vorhandenen Musikwesens: „Musik ist allerdings so gut wie keine vorhanden und das, was es gibt, sollte lieber gar nicht existieren. Aber der gute Wille ist vorhanden und für ‚Pioniere‘ wird es ein reiches Feld geben, mehr als irgendwo anders.“ „Hier gibt es eine Welt aufzubauen, eine einzigartige Gelegenheit“, schrieb Amar an Hindemith am 28. Januar 1935

Zwar konnte sich Amar ab November 1935 durch einen Lehrauftrag am Konservatorium in Istanbul ein wenig absichern, aber Anfang 1936 klingt Amar in seinem Brief an Hindemith ernüchtert. „Die Verhältnisse sind ziemlich traurig… Meine Arbeit entwickelt sich sehr langsam, da ich mit den primitivsten Dingen beginnen muss. Das Schülermaterial ist sympathisch, nur sind die meisten das Arbeiten überhaupt nicht gewöhnt, aber das wird sich schon mit der Zeit geben.“

In einem Brief von 1937 wird deutlich, dass sich Amar zunehmend mit musikwissenschaftlichen Fragen beschäftigt. „Es ist wohltuend in unserer Zeit feststellen zu können, dass es noch einen tiefen Ernst und Bewusstsein der eigenen Verantwortung gibt einer Aufgabe gegenüber, die man sich selbst gestellt hat.“ Einerseits klang Licco Amar voller Elan, andererseits spürte er, dass er sein Potential in der Türkei nicht wirklich entfalten konnte. „Was ich hier in der Türkei machen kann, ist und bleibt nur ein Bruchteil von dem, was ich unter anderen Umständen tun könnte, und ich weiß auch nicht, ob es in Ankara besser wäre.“

Schließlich wurde Amar 1938 an das Staatskonservatorium in Ankara berufen. Dort leitete er die Violin- und Kammermusikklasse, war Konzertmeister des Sinfonieorchesters und bildete am Musiklehrerinstitut angehende Musikpädagogen im Fach Violine aus. Mit seiner Arbeit verschaffte er sich großes Ansehen und nahm einen erheblichen Einfluss auf das Musikleben in der Türkei.

Amar engagierte sich auch für türkische Komponisten und führte deren Stücke auf. Bekannt war er nicht nur als hervorragender Musiker, sondern auch als exzellenter Lehrer. Ehemalige Schüler wie Ayla Erduran oder Suna Kann erhielten Anerkennung von der Weltmusikszene. Vor allem konnte Amar, so sein früherer Schüler Oktay Dalaysel, hervorragend Methoden vermitteln.

„…war es mir, als wäre ich vor vierzehn Tagen von dort abgereist“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb Amar zunächst in der Türkei. Seine Mutter, die Schwester und der Bruder hatten den Krieg in Budapest überlebt.

Nun, da das NS-Regime gestürzt war, zog Amar Bilanz. „Wenn auch die acht Jahre, die ich in Ankara verbracht habe, beruflich wenig erfreulich waren, so sind sie für mich dennoch sehr fruchtbar gewesen. Ich habe mich, ohne das Spielen zu vernachlässigen, auf die Wissenschaft verlegt und nach langjährigem Arbeiten so etwas wie die Prinzipien einer Soziologie der Musik herausgearbeitet.“ Zwar hatte er in der Türkei eine angemessene Beschäftigung gefunden, bei der er seine Erfahrungen und Kompetenzen sinnvoll einbringen und an der Gestaltung des Musiklebens in der Türkei teilhaben konnte, aber er litt insbesondere darunter, dass er sich in seiner Karriere als Solist nicht weiter entfalten konnte.

Anfangs zog Amar eine Rückkehr nach Deutschland noch nicht in Erwägung. An den Ehemann seiner Stieftochter schrieb er 1946: „Zunächst weiß ich wohl, dass ich (wie alle Emigranten) Deutschland entfremdet bin und wahrscheinlich als Rückkehrer besonders von der studierenden Jugend nicht so sehr gerne gesehen werden würde, ganz abgesehen von den eingefleischten Vorurteilen gegenüber Leuten meines Schlages.“

Auch in der Türkei fühlte er sich nicht mehr so recht wohl. „Musik in unserem Sinne gibt es allerdings noch kaum. In dieser Hinsicht bin ich sehr bescheiden geworden.“ Trotz aller Erfolge, die er mit seinen Studenten hatte, bemühte sich Amar ab 1947, die Türkei zu verlassen. Amar glaubte nun, zwei Jahre nach Kriegsende, dass er seine Kompetenzen in Deutschland viel besser einsetzen könne als in der Türkei. Seit zahlreiche Emigranten das Land verließen, werde die Situation zunehmend unangenehm. Um Kontakte knüpfen zu können, dachte er an eine Reise nach Europa. Ernüchtert schreibt er allerdings am 20.3.1948 an seine Stieftochter: „Eben ist Eduard Zuckmayer, der Bruder des Schriftstellers, hierher zurückgekehrt und erzählte mir vieles von dort. Elf Tage in Deutschland, zwanzig Reisetage, Gesamtkosten 2.000 Türkenpfund, das kann ich mir leider nicht leisten.“ 1950 kehrte Licco Amar erstmals wieder nach Deutschland zurück. Über seine erste Reise in die alte Heimat schreibt er Gertrud Hindemith, er wäre am liebsten dort geblieben. Amar beschreibt seine Gefühle, als er zum ersten Mal wieder am Frankfurter Hauptbahnhof ankam: „…war es mir, als wäre ich vor vierzehn Tagen von dort abgereist. Seitdem habe ich etwas, was ich alle die Jahre nicht kannte, nämlich Heimweh nach der alten Heimat.“

Die Situation in Deutschland beurteilt er durchaus kritisch. Ihm schwebte eine durchgreifende Reform des Hochschulwesens in Deutschland vor. Gleichzeitig verspreche ihm der Direktor des Konservatoriums in Ankara zwar das Paradies auf Erden, wenn er bleibe, aber er ziehe das Fegefeuer in „Germany“ vor. „Wie ich Ihnen schon schrieb, gedenke ich baldmöglichst das Kapitel Türkei zu schließen und mir ein Zelt in der Nähe von Frankfurt aufzuschlagen. Rosig ist es auch dort nicht, aber hier geht alles drunter und drüber, dass es einem Angst und bange wird.“

Von Ankara aus war es ihm gelungen, die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei zu intensivieren, indem deutsche Gastprofessoren, Lehrer, Dirigenten und Instrumentenbauer nach Ankara eingeladen wurden und umgekehrt türkischen Studierenden ein Studium in Deutschland ermöglicht wurde. 1957 reiste Amar, begleitet von Oktay Dalaysel und anderen türkischen Musikern, zu den Internationalen Musikwochen in Weikersheim. Einigen seiner Schüler konnte er mit Stipendien ein Studium in Deutschland vermitteln.

Rückkehr nach Deutschland

Parallel zu seinen Bemühungen, eine Stellung in Deutschland bzw. den USA oder Kanada zu finden, stellte Licco Amar 1950 einen Antrag auf „Wiedergutmachung“. Da die deutschen Wissenschaftler und Künstler nicht nur ständig um die Verlängerung ihrer Verträge kämpfen mussten, es auch keine angemessene Regelung von Pensionszahlungen gab, waren die Emigranten zur Sicherung ihrer Altersversorgung auf Entschädigungszahlungen angewiesen. Da die zuständige Behörde zunächst die Zulässigkeit des Antrages bezweifelte, zog sich der Vorgang über mehrere Jahre hin. Schließlich gelang es Amar mithilfe prominenter Fürsprecher, eine Rente zu erhalten.

Erst viele Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft erhielt Licco Amar im September 1957 einen Ruf an die Musikhochschule nach Freiburg sowie die ihm 1934 entzogene Staatsbürgerschaft wieder zurück. Zwei Monate später wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet „in Anerkennung der um die Bundesrepublik Deutschland erworbenen besonderen Verdienste“. In einer Stellungnahme der deutschen Botschaft in Ankara wird betont, dass Licco Amar sich stets um Kontakte seiner Lehranstalt und der Schüler in Ankara mit Deutschland bemüht habe.

Im Mai 1958, 25 Jahre, nachdem er durch die politischen Verhältnisse gezwungen worden war, Deutschland zu verlassen, trat Licco Amar wieder in Deutschland auf. Zusammen mit dem Pianisten Jürgen Klodt führte er in einem Konzert der Freiburger Musikhochschule im repräsentativen „Kaufhaussaal“ Werke von Weggefährten seiner frühen Jahre in Deutschland, Musik von Arthur Honegger, Maurice Ravel und Serge Prokofieff auf.

 

Mit dem Kultusministerium gab es Unstimmigkeiten in der Frage, ob Amar berechtigt sei, die Amtsbezeichnung Professor zu führen. Mehrfach setzte sich die Musikhochschule Freiburg für ihn ein, da Amar diesen Titel nicht nur in Ankara getragen hatte, sondern auch „beinahe 20 Jahre am Staatskonservatorium in Ankara als Leiter der Abteilung Streicher gewirkt, also eine Tätigkeit ausgeübt hat, die der eines Professors an einer deutschen Musikhochschule entspricht.“ Die Auseinandersetzung um die Verleihung der Amtsbezeichnung Professor endete im Juli 1959 mit einer Verfügung des Ministerpräsidenten, der Amar diesen Titel für die Dauer der Zugehörigkeit zum Lehrkörper der Hochschule verlieh. Offensichtlich zu spät. Am 19.7.1959 verstarb Amar in Freiburg, bevor er die Urkunde in Empfang nehmen konnte.

Oktay Dalysel erinnert sich an die von der Musikhochschule organisierte Feierstunde zur Einäscherung des Musikers auf dem Hauptfriedhof in Freiburg, an der auch Eduard Zuckmayer teilnahm und eine Ansprache hielt. Enttäuschend fanden es die Angehörigen von Amar, dass die türkischen Schüler, die einen Beitrag zu dieser Feierstunde leisten wollten, nicht selbst spielen durften.

In einem Beileidsschreiben würdigte der deutsche Botschafter in Ankara die Leistungen Amars für die Türkei. „Er hat mich immer wieder mit seinem Rat unterstützt und wiederholt Musikabende in der Deutschen Bibliothek in Ankara angeregt und durch seine künstlerische Mitwirkung zum Erfolg gebracht. Mit besonderer Dankbarkeit werden sich die türkischen Freunde daran erinnern, wie sehr Herr Amar sich während seiner Tätigkeit in Ankara, vor allem in den letzten beiden Jahren, für die türkische Musik und ihre jungen Künstler in Deutschland eingesetzt hat. Wir werden, dessen können Sie gewiss sein, Herrn Amar als Künstler und Menschen ein dankbares Andenken bewahren.“

Erinnerung an Licco Amar

Licco Amar ist in Deutschland weitgehend in Vergessenheit geraten. Dennoch bleibt sein Name durch ein nach ihm benanntes Quartett lebendig. Anlässlich des 100. Geburtstags von Paul Hindemith 1995 wurde vom Hindemith-Institut einem 1987 gegründeten Quartett aus Zürich der Name Amar-Quartett übertragen. Neben den Werken von Paul Hindemith fördert das neue Amar-Quartett – wie das alte in den 1920er Jahren – zeitgenössische Musik. So bleibt der Name des Musikers in Erinnerung.

Ein Austauschprojekt der Ernst-Reuter-Schule 1 in Frankfurt und der Ernst-Reuter-Schule in Ankara ging 2008 auf Suche nach Spuren von Licco Amar und Eduard Zuckmayer in der türkischen Hauptstadt. Die Ergebnisse dieses Projektes wurden im selben Jahr im Museum Judengasse in Frankfurt vorgestellt. Im Juni 2009 lud die Ernst-Reuter-Schule in Frankfurt Oktay Dalaysel zu einem Besuch nach Deutschland ein. Mit dieser Einladung sollte an dessen, in Deutschland weitgehend in Vergessenheit geratenen, Lehrer erinnert werden und die Türkei als Zufluchtsland für Verfolgte des NS-Regimes ins Bewusstsein gerückt werden. Oktay Dalaysel sprach mit mehreren Klassen der ERS1 über seine Erinnerungen an Licco Amar und über seinen eigenen Lebensweg. Im Rahmen einer Veranstaltung im Jüdischen Museum erhielt auch die Öffentlichkeit Gelegenheit, etwas über den Musiker und über die Emigration in die Türkei zu erfahren.

Der Hessische Rundfunk konnte im selben Jahr gewonnen werden, anlässlich des 50. Todestages von Licco Amar ein Gedenkkonzert mit dem neuen Amar-Quartett zu veranstalten. Das Jahrbuch des Hindemith-Instituts 2009 erinnerte mit zwei Beiträgen an den Musiker.

Licco Amar – Hier gibt es eine Welt aufzubauen Ein Artikel von Angelika Rieber:

Licco Amar - Hier gibt es eine Welt aufzubauenPDF
2 MB