Name
Susana Baron geb. Girgulski
geb. am 4. April 1944 in Buenos Aires/ Argentinien
wohnhaft in Santiago de Chile, Chile
verwitwet, zwei Söhne, Gabriel und Daniel

Teilnahme am Besuchsprogramm 2015

Vater Susanas
Max Girgulski
geb. am 12. November 1913 in Frankfurt
gestorben am 3. Februar 1983 in Buenos Aires
Ausbildung
Besuch der Städtischen Fortbildungs- und Berufsschule
Ausbildung als Elektrotechniker bei der Fa. Fischer&Müller, Frankfurt
Arbeitsstellen
Fa. Fischer&Müller; Fa. Schick in Frankfurt
in Argentinien zunächst Aushilfsjobs, später wieder Arbeit im erlernten Beruf
Freizeit
Fußballer bei der „Eintracht Frankfurt“
bis zu seinem Ausschluss als Jude,
danach bei „Makkabi Frankfurt“
in Buenos Aires: “Club Atlético River Plate” u.a.
Emigration
1938 nach Buenos Aires, Argentinien;
er folgt der bereits 1937 ausgewanderten Schwester Berta Eichberg
Mutter, Bruder und Frau, Cousin mit Frau und Sohn
emigrieren ab 1950 nach Argentinien

Mutter Susanas
Carmen Girgulski, geb. Echtermeier
geb. am 8. April 1917 in Kopenhagen, aufgewachsen in Berlin
gestorben am 1. Oktober 1996 in Chile
Urenkelin von Carl Friedrich Echtermeier, Bildhauer,
Nichte von Curt Echtermeier, Maler
Heirat mit Max Girgulski 1940 in Buenos Aires

Großeltern Susanas
Salomon Girgulski
geb. 2. April 1887 in Vilnius
deportiert nach Polen am 28.10.1938
Maria Girgulski, geb. Hagel
geb. 6. September 1885 in Balg/ Baden-Baden
gestorben am 20. November 1973 in Argentinien
Eheschließung von Salomon und Maria 1911 in Bern


Quellen:

  • Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
  • Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt (PJLF): Gespräch mit Susana Baron
  • Thoma, Matthias: Wir waren die Juddebube, 2007

Fotos:
Familienbesitz Susana Baron;
Archiv der „Eintracht Frankfurt“;
Till Lieberz-Groß

Text:
Till Lieberz-Groß

Susana Baron-Girgulski, Chile

„Befragt eure Eltern und Großeltern zur Familiengeschichte“

Von Till Lieberz-Groß

Susana Baron, geb. Girgulski wurde 1944 als Tochter des Frankfurters Max Girgulski
in Buenos Aires, Argentinien, geboren.
Teilnehmerin des Projektes 2015 – Besuch der Anne-Frank-Schule, Frankfurt Juni 2015
Max Girgulski (auch Girgulsky) wurde 1913 in Frankfurt geboren und starb 1983 in Buenos Aires.

Heimat Frankfurt – Eintracht Frankfurt und Makkabi Frankfurt

Aus der Powerpoint-Präsentation von seiner Tochter Susana Baron

Max arbeitete als Elektrotechniker in Frankfurt in verschiedenen Firmen, zuletzt bei der Fa. Schick, bei der er aber 1937 wegen Arisierung der Firma seine Arbeitsstelle verlor.

Max war seit Kindesbeinen ein talentierter Fußballer: 1928 wurde er mit der ersten Schülermannschaft der „Eintracht“ Gaumeister. Dieser Erfolg schützte ihn aber nicht vor Nazi-Pöbeleien und er laborierte zeitlebens an einer Verletzung, die er noch während seiner Zeit bei der „Eintracht“ durch einen heftigen – mutmaßlich absichtlichen – Fußtritt in den Magen erlitten hatte.
Wie andere jüdische Eintrachtler musste er seinen Club verlassen – weil er Jude war. Diese Diskriminierung war sehr enttäuschend und tief kränkend für ihn – wie auch für all die anderen jüdischen Eintrachtler, die ihren Verein aus rassistischen Gründen verlassen mussten; die meisten Fußballer wechselten zu den jüdischen Vereinen „Makkabi“ oder „Bar Kochba“ in Frankfurt. Für seinen neuen Fußballclub „Makkabi“ spielte Max Girgulski 1934 erfolgreich in der süddeutschen Mannschaft beim Endspiel um den Pokal des Deutschen Makkabi-Kreises im Frankfurter Stadion.

Das Makkabi-Trikot von Max ist immer noch im Familienbesitz

Emigration nach Argentinien

1938 folgte Max Girgulski seiner bereits 1937 nach Argentinien ausgewanderten Schwester Berta, damals schon verheiratet mit Isaak Eichberg – mit einem polnischen Pass: Die Girgulskis galten aufgrund des Geburtsortes des Vaters (Vilnius/ Litauen, das 1938 zu Polen gehörte), als polnische Staatsbürger. In Buenos Aires lernte Max die ebenfalls geflüchtete Carmen Echtermeier kennen; sie heirateten 1940. Carmen wurde in Kopenhagen, Dänemark geboren, zog aber im Kindesalter mit ihren Eltern nach Berlin, das sie nach dem Krieg auch noch einmal besuchte, während Max Girgulski Deutschland nach dem Krieg mied.
Max wurde als guter Fußballer gerne in die Reihen des berühmten Erstliga – Vereins „Club Atlético River Plate“ in Buenos Aires aufgenommen. Aber er verließ den Club, nachdem er von Fans, die seine Biografie nicht kannten, als „deutscher Nazi“ desavouiert worden war.
Seinen Lebensunterhalt bestritt Max nach diversen Hilfstätigkeiten mit der Herstellung von Matrizen aus Stahl zur Fertigung von Plastikgegenständen wie Haushaltsartikel und Spielzeug.

Deutsch wurde in der Familie weiterhin gesprochen; durch die allgegenwärtige deutsche Kultur wurde „Deutschland nach Hause gebracht“, berichtet Susana Baron: Die Mutter sang mit den Kindern deutsche Lieder und Operetten; es gab eine deutsch-sprachige Bibliothek. Während die Mutter von Deutschland erzählte, aber auch weitgehend die Nazi-Gräuel aussparte, spielte der Vater lieber Fußball mit seinen Kindern, auch mit seiner Tochter Susana.
Erst nach dem Krieg war es möglich, wieder Kontakt zur Familie nach Deutschland aufzunehmen und sie ab 1950 wenigstens partiell wieder zu vereinen.
Die zum jüdischen Glauben konvertierte Großmutter Maria Anna Girgulski, geb. Hagel überlebte den Nazi-Terror als Zwangsarbeiterin, nachdem sie zwar zunächst einen Tag nach ihrem Mann auch nach Polen deportiert worden war, dann aber nach einigen Tagen nach Frankfurt zurückkehren konnte. 1950 siedelte sie – wie auch ein Bruder von Max, Joseph Hagel und dessen Frau Lilo – nach Argentinien aus; später folgte noch ein Cousin, Aristóteles Trembelis mit seiner Frau Mathilde und Sohn Alex, einem Kind mit Down Syndrom – alle auf Veranlassung und mit Bürgschaft von Max Girgulski .

Vorfahren
Susanas Großvater Salomon kam aus Vilnius in Litauen, die Großmutter Maria aus Balg (seit 1939 Stadtteil von Baden-Baden) in Süddeutschland.
Er war Kaufmann; die Familie führte ein Zigarettengeschäft.
Die Familie wohnte in der Albusstr. 19, nahe der Konstablerwache.
Die Großeltern Salomon Girgulski und Maria Hagel hatten insgesamt fünf Kinder, davon zwei voreheliche Kinder, Olga und Joseph, die den Nachnamen Hagel trugen. Nach der Heirat wurden Berta, Max und Elias Girgulski geboren. Elias starb bereits im Alter von 13 Jahren; er ist auf dem neuen jüdischen Friedhof in Frankfurt beerdigt. Olga wuchs bei der Familie von Susanas Großmutter Maria auf; über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Großvater Salomon wurde am 28.10.1938 nach Polen deportiert; Todesort und Todesdatum sind unbekannt.

Die 2. Generation
Susana Baron wurde am 4. April 1944 in Buenos Aires geboren.
Susanas Bruder Ronaldo (Rony) starb im Jahre 2012 unerwartet im Alter von nur 63 Jahren.
Nach ihrer Heirat mit 20 Jahren zog Susana zu ihrem ursprünglich aus Leipzig stammenden Mann, Arie Baron, nach Chile, wohin er 3jährig mit seiner Familie aus Deutschland ausgewandert war – 1939 mit dem letzten Schiff.
Susana Baron wohnt in Santiago de Chile und hat zwei erwachsene Söhne und vier Enkelkinder.
Ihr Mann Arie starb 1998.
Während die Großeltern orthodox lebten, verstanden sich Susanas Eltern als liberale Juden.

Erst Susana suchte den Kontakt zur Deutsch-Jüdischen Gemeinde Leo Baeck, sang dort im Chor und spielte Theater bei „Makkabi“. Susana besuchte eine englische Schule in Buenos Aires.
Auf Nachfragen von Schülerinnen und Schülern bei ihrem Besuch der Anne-Frank-Schule in Frankfurt sagt sie, dass sie „niemals das Gefühl hatte, anders zu sein“ als ihre Mitschüler/innen. Sie hatte viele Freund/innen aus der jüdischen Gemeinde, aber auch viele nicht-jüdische Freundinnen in der Schule und der Nachbarschaft. Sie habe sich immer „argentinisch“ gefühlt, obwohl der Freundeskreis ihrer Eltern hauptsächlich aus Menschen mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund bestand; so machte die Familie traditionell Urlaub in einem „deutschen“ Hotel in den Bergen Argentiniens, nicht zuletzt, weil es dort „deutsches“ Essen gab.
Susana zeigte sich sehr erfreut darüber, „dass man hier meinen Vater kennt“ und er in dem Buch „Wir waren die Juddebube“ von Matthias Thoma über die „Eintracht“ in der NS-Zeit sehr positiv erwähnt ist. An der Verlegung eines Stolpersteines für ihren Vater ist sie sehr interessiert.

Susana Baron war sechs Jahre lang die Präsidentin der chilenischen WIZO-Sektion (2005-2011).
Ihre Söhne, Gabriel und Daniel, besuchten die jüdische Schule und arbeiten heute als Orthopäde und Rechtsanwalt in Chile.
Susan Baron arbeitet zurzeit an einem – fast fertig gestellten – Buch über das Leben ihrer Mutter.
Ihre Mutter hatte anders als ihr Vater eigene Aufzeichnungen hinterlassen und sehr oft mit ihrer Tochter Susana über ihr Leben gesprochen. Es wäre wünschenswert, das Buch übersetzen und bei einem deutschen Verlag herausbringen zu lassen.
Auf dem Hintergrund ihrer Geschichte fordert Susana Baron die Schülerinnen und Schüler der
Anne-Frank-Schule ausdrücklich auf, ihre Eltern und Großeltern zur Familiengeschichte zu befragen.

Susana Baron (1. von rechts) mit weiteren Teilnehmerinnen 2015- Susan Sachs-Fleishman und Yael und Malka Laor (von links) vor der Anne-Frank-Fliesenwand der Anne-Frank-Schule, Frankfurt