Warum Gedenken und Begegnungen heute so wichtig sind: Ein Gespräch mit Angelika Rieber über die Bedeutung der persönlichen Begegnungen und der Auseinandersetzung mit diesem Thema in Schulen. Link (hessenschau vom 10. Nov. 2024)
Nachlese zum Besuchsprogramm 2024
Auf der Seite Besuchsprogramm finden Sie einen Bericht zum Besuchsprogramm 2024, sowie Presseartikel.
Riccio – Oper zu einem Libretto von Martha Wertheimer
Einladung zu einem Gesprächskonzert am 15. November 2024, 18 Uhr im Klingspor Museum, Offenbach. Der Eintritt ist frei
Nähere Informationen finden Sie unter Offenbacher Allianzen – Oper Riccio von Erich Riede und Martha Wertheimer
Neue Biographien 2024:
Hermann Freudenberger
Familie Eger
Claudia Gerstenhaber
Nora Frankel geb. Bergmann
Familie Sommers
Familie Ehrenfeld
Renee Halberg
Verfolgt im Nationalsozialismus – Zeitzeuginnen berichten
Hier finden Sie Videos von Interviews mit den Zeitzeuginnen Liesel Binzer, Gisela Jäckel, Ingrid Oppermann und Eva Szepesi, die als Kooperation zwischen dem PJLF und der HLZ entstanden sind.
Dazu gibt es auch passende Unterrichtsmaterialien.
Auf der Seite finden Sie auch Links zu früher entstandenen Filmporträts von Marianne Schwab, Dorothy Baer sowie Martha und Erwin Hirsch.
Marianne Schwab im Alter von 105 Jahren verstorben
Einen Nachruf finden Sie unter News.
Neuer Rundbrief
Der neue Rundbrief aus dem Mai 2024 ist online und unter Rundbriefe zu finden.
Besuchsprogramm 2024
Das Besuchsprogramm der Stadt Frankfurt für die während der NS-Zeit vertriebenen Frankfurterinnen und Frankfurter jüdischer Herkunft sowie deren Nachkommen findet dieses Jahr aufgrund der Fußball-Europameisterschaft erst in der 3. Septemberwoche statt. Falls Sie Interesse haben, als Schule oder Begleiter teilzunehmen, melden Sie sich bitte bei uns!
Neue Biographien 2023
Walter Norbert Falk
Familien Freiberg und Levin
Norbert Strauß
Familie Simon – Katz
Helga Wolff
Elli und Kurt Oppenheimer
Hanna Eckhardt verstorben
Hanna Eckhardt, Mitautorin des Buches „Rettet wenigstens die Kinder“ ist verstorben. Wir vermissen sie und werden ihr Andenken in Ehren halten. Nachruf unter News .
Walter Norbert Falk später Walter Norman Falk
Schwarzwälder Kirschtorte im Café Falk
von Ingrid Bruch
2018 besuchen Gary Falk und seine Tochter Amy im Rahmen des Besuchsprogramms Frankfurt und machen sich auf Spurensuche. Garys Vater Walter Norbert Falk war Frankfurter und musste die Stadt im März 1939 mit einem Kindertransport verlassen. Sein Sohn Gary Falk und dessen Tochter Amy wissen sehr wenig über die Geschichte seiner Kindheit in Frankfurt und Flucht nach England und Emigration in die USA 1943 und möchten gern mehr erfahren.
Walter Norbert Falk wird 1926 in Frankfurt geboren. Er ist das einzige Kind von Clothilde Falk, geborene Goldschmitt, und Benno Falk. Der Vater betreibt zusammen mit seinem Bruder Max ein modernes und beliebtes Café, Café Falk an der Eschenheimer Anlage 38. Benno Falk ist Konditormeister; er ist in Straßburg zum „Chef de Patisserie“ ausgebildet worden. Nach besonderen Rezepten werden allerfeinste Torten, Pralinen und Speiseeis hergestellt. Im Eingangsbereich befindet sich ein großes Kuchenbüffet in Glasvitrinen. Der geräumige Gesellschaftsraum bietet angenehme Sitzgelegenheiten und gut geschultes Bedienungspersonal. Eine breite, bequeme Treppe führt eine Etage höher, wo es weitere Räume für private Feiern gibt. Daneben gibt es eine Terrasse für die Gäste mit herrlichem Blick in die Grünanlagen.
Die Brüder Falk haben die alte Villa gemeinsam gekauft, 1928 zum Café umgebaut und mit modernsten technischen Einrichtungen versehen, z. B. mit einer Kühlvorrichtung in der großen Kuchentheke. Die Backstube befindet sich im Keller. Das Café hat 14 Angestellte und ist vom ersten Tag an erfolgreich und zu manchen Zeiten so überfüllt, dass Gäste warten müssen oder keinen Platz finden.
Die Backstube befindet sich im Keller. Das Café hat 14 Angestellte und ist vom ersten Tag an erfolgreich und zu manchen Zeiten so überfüllt, dass Gäste warten müssen oder keinen Platz finden. Max und Benno Falk leiten den Innenbetrieb, d. h. den Konditoreiherstellungsbetrieb, die Eisfabrikation und den Küchenbetrieb. Benno führt den großen Erfolg des Cafés auch auf die leitende Tätigkeit der beiden Ehefrauen zurück, die sich um die Betreuung der Gäste kümmern und von morgens bis abends mitarbeiten. Clothilde und ihre Schwägerin sind für den sogenannten Außenbetrieb zuständig und kümmern sich um die Kundschaft im Café. Sie bedienen hinter der Kuchentheke, kümmern sich um die Auslieferung von Bestellungen und den Service. 1934 wird dem Café sogar noch eine Auszeichnung bei den internationalen Kochausstellungen in Frankfurt verliehen.
Walter ist noch zu klein um mitzuhelfen und wird aus der Backstube gescheucht, damit er nicht im Weg ist. Er kann sich aber noch gut an die vielen leckeren Kuchen, insbesondere an die Schwarzwälder Kirschtorte, erinnern. Er hält sich meist in der großen Wohnung im zweiten Stock über dem Café auf, wo er ein großes Spielzimmer hat, in das er viele Freunde einladen darf. Die Familie hat ein Dienstmädchen, das sich um den Haushalt kümmert und Onkel Max wohnt mit seiner Familie im ersten Stock darunter.
Walters Eltern sind liberale Juden, die freitags eine Schabbatkerze anzünden und die jüdischen Feiertage feiern. Am Samstagmorgen besucht Walter zusammen mit anderen Kindern den Religionsunterricht. Walter hat sehr schöne Erinnerungen an die jährlichen Sommerferien, die er in Sennfeld, nahe Heilbronn bei den Großeltern väterlicherseits verbringt. Zusammen mit seinen Cousins (Werner, Siggi, und Manni) sowie der Cousine Flora fährt er ab dem Hauptbahnhof mit dem Zug aufs Land, wo die Kinder die Spiele im Freien sehr genießen.
Von 1933 bis 1935 besucht Walter die Schwarzburgschule. Wegen zunehmender Belästigungen und Zurücksetzung durch Mitschüler und Lehrer wird er in das Philanthropin, die liberale jüdische Schule, umgeschult, die er bis zu seiner Flucht besucht.
November 1938 im Café Falk
Nach 1933 ändert sich das Alltagsleben der Falks. Walter erinnert sich, dass er als Achtjähriger einmal auf der Straße angespuckt wurde. Um ihn zu schützen, bringen die Eltern ihm bei, sich nicht zu wehren. Am Philanthropin fühlt er sich sicher, aber die Angst auf der Straße bleibt. Walter erzählt, dass eine Angestellte Informationen über die Familie an die Nazis weitergibt und dass daraufhin die Gestapo immer öfter im Café verkehrt. Nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte bleiben die nichtjüdischen Gäste aus Angst weg und das Café verwandelt sich zum Treffpunkt für jüdische Gäste. Walter kann sich noch gut an den 9./10. November 1938 erinnern. Die Schule ist an diesem Tag früher aus, überall ist der Lärm der Feuerwehr zu hören, und als er in die Nähe des Cafés kommt, ist er schockiert. Glasscheiben und Vitrinen sind zerbrochen, Kuchen sind auf die Straße geworfen worden. Kaffeemaschinen, Besteck, Geschirr, Hausrat und Vorräte werden gestohlen und Walter sieht, wie auch Nachbarn Gegenstände wegschleppen. Das gesamte Warenlager bestehend aus Likören, Sekt und Konditoreiwaren wird weggeschafft.
Drei Tage später stürmt die Gestapo mit Sturmgewehren die Wohnungen. Onkel Max wird festgenommen und nach Dachau gebracht. Obwohl Benno durch eine Schussverletzung aus dem Ersten Weltkrieg einen gelähmten Unterarm hat, wird er halb tot geschlagen und schwer verletzt liegengelassen. Das Café Falk, die Wohnungen und das Vermögen der beiden Familien werden „arisiert“ und den Familien geraten, Deutschland zu verlassen. Der Vorgang der sogenannten Arisierung zeigt sehr anschaulich, wie die jüdischen Besitzer beim erzwungenen Verkauf betrogen und ausgetrickst werden, sodass sie sich für die Flucht aus Deutschland 1940 Geld leihen müssen, weil sie nichts mehr haben. Sie müssen Umzugsgutlisten erstellen, um das Nötigste für die Ausreise mitnehmen zu können. Aber sowohl das Umzugsgut als auch ihre Wohnungseinrichtung werden von der Gestapo beschlagnahmt und anschließend in einer Turnhalle versteigert.
Walter erhält am 9. November die Anweisung seiner Mutter, alleine möglichst schnell und unauffällig zur Wohnung eines Onkels zu flüchten. Nur mit der Kleidung am Körper können sich die Frauen und Kinder dorthin retten. Walter erinnert sich an die dunkle Wohnung der Verwandten, wo sie auf dem Boden auf Matratzen campieren, um sich zu verstecken. Als sie hier nicht mehr sicher sind, zieht die Familie in die Zeil 51, wo die Familie bis zu ihrer Flucht lebt.
Benno und Clothilde haben große Angst um ihren einzigen Sohn und melden ihn sofort für einen Kindertransport an, mit dem es ihm im März 1939 gelingt, nach London zu fliehen. Walter meint, seine Eltern hätten es sehr bereut, Deutschland nicht früher mit ihm gemeinsam verlassen zu haben. Stattdessen haben sie auf Onkel Max gehört, der das Café nicht aufgeben wollte. Nach den Novemberpogromen sind sie nun mittellos, haben ihren Besitz und ihr Vermögen verloren und müssen versuchen, unter schweren Bedingungen ohne Geld aus Deutschland zu fliehen. Die Eltern müssen sich bei einem Bruder des Vaters in Straßburg Geld leihen, um 1940 mit dem Schiff nach Kuba fliehen zu können. Von dort haben sie es 1943 geschafft, nach New York zu gelangen.
Mit dem Kindertransport nach England
Im März 1939 bringt Benno seinen Sohn zum Frankfurter Hauptbahnhof, wo er unter Tränen von ihm Abschied nimmt. Auf dem vollen Bahnsteig sind jüdische Kinder aus ganz Hessen zusammengekommen, aber Walter kennt kein einziges Kind. Er kann sich erinnern, wie ihnen am Bahnhof zugerufen worden ist: „Hier kommen die dreckigen Juden“.
Die Reise allein nach England erscheint dem Zwölfjährigen zunächst als Abenteuer. Er weiß nicht, dass er seine Eltern vier Jahre lang nicht sehen wird. Bei der Ankunft in London kommt ihm der Bahnhof Liverpool Street Station sehr schmutzig vor, und er fühlt sich fremd. Mit dem Doppeldeckerbus geht es ins Westend, wo er lange auf seine Pflegefamilie warten muss. Er kann sich erinnern, dass seine Eltern vor der Ausreise ein Foto von ihm nach England schicken mussten, um so eine unbekannte jüdische Pflegefamilie für ihn finden zu können. Schließlich kommt seine Gastfamilie und bringt ihn in ein schönes Haus mit einem Garten. Sie haben ein Dienstmädchen und einen Hund. Ihr Sohn Peter ist ein Jahr älter als Walter und sehr verwöhnt. Walter erzählt, dass die Gasteltern den eigenen Sohn immer vorgezogen haben und er sich deshalb nicht richtig angenommen gefühlt habe. Der Umgangston innerhalb der Familie ist sehr kühl und steif. Die Oma und die Tante der Familie, die gelegentlich zu Besuch kommen, sind jedoch lieb zu ihm. In die Schule geht er gern, auch wenn sein Englisch zunächst sehr schlecht ist. Seine Lehrerin, die ihn mag, ist einmal sogar bei seiner Familie zum Tee eingeladen, und dafür ist er dankbar. Das Essen in England schmeckt ihm gar nicht: „Roast on Sunday, Cold on Monday, Minced on Wednesday”.
Bomben über England
1940 wird er zusammen mit Peter und anderen Schülern der London Council School mit Rucksack und Gasmaske nach Bedford evakuiert. Hier kommt er in eine neue, nichtjüdische Pflegefamilie, die selbst keine Kinder hat, und ihn und Peter aufnimmt. Die Pflegefamilie hört ständig die neuesten Nachrichten über die Bombardierungen im Radio, und einmal können sie eine Bombe in der Nachbarschaft niedergehen hören. Er versteckt sich unter dem Küchentisch, und seine Familie fürchtet sich sehr. Draußen sehen sie dann einen großen Krater. Walter lebt hier in den nächsten vier Jahren in einfachen Verhältnissen, ist aber glücklich und verträgt sich jetzt nun auch mit seinem Pflegebruder Peter. Der neue Pflegevater besitzt eine kleine Fahrradwerkstatt und baut ihm sogar ein eigenes Fahrrad.
Da die Lebensmittel während des Krieges rationiert sind, sind seine Pflegeeltern Selbstversorger und Walter hilft gerne im Garten mit, wo er lernt, Gemüse anzubauen. Er kann sich gut integrieren und ist erstaunt über die Toleranz an seiner Schule, in der seine Religion keine Rolle spielt. Einmal in der Woche dürfen er und Peter ins Kino gehen und einen Film ansehen, was eine schöne Abwechslung ist. Liebevoll nennt er seine Pflegeeltern „Auntie and Uncle“. Walter kann Kontakt zu seinen Eltern halten und erfährt, dass seine Eltern 1940 mit dem Schiff nach Kuba fliehen konnten, zusammen mit Onkel Max und Familie.
Endlich wieder mit den Eltern zusammen
Die Eltern haben auf Kuba kein leichtes Leben, denn sie erhalten keine Arbeitserlaubnis. Um nicht zu verhungern, müssen sie sich wieder Geld leihen. Als ihnen 1943 die Emigration in die USA gelungen ist, beantragen sie sofort ein Visum für den Sohn, und schon im selben Jahr kann Walter England in einem Konvoy von etwa 30 Schiffen verlassen, von denen etwa ein Drittel von den Deutschen torpediert wird. Er hat Glück und erreicht unversehrt mit 16 Jahren New York. Er wird nie den Augenblick vergessen, als er die Freiheitsstatue, den riesigen Hafen und die ersten Hochhäuser sieht. Leider kann ihn niemand am Hafen abholen, denn seine Eltern müssen beide arbeiten. So fährt er mit dem Taxi allein in die Wohnung der Eltern. Die winzige Wohnung liegt in Washington Heights, wo ihn seine Eltern doch noch mit einem Willkommensfest überraschen. Seine Eltern müssen schwer arbeiten, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Sie nehmen alle Jobs an, die sie bekommen. Zunächst arbeitet der Vater als Lagerarbeiter, was wegen seiner Armverletzung schwer für ihn ist. Später findet er eine Anstellung in einem Modegeschäft. In den 50er Jahren bekommt er ein Herzleiden und es geht ihm nicht gut. Dennoch eröffnet er später, als sie etwas Geld angespart haben, zusammen mit Clothilde und seinem Bruder Max eine kleine Bäckerei, Falks Bakery, in Jackson Heights, N.Y. Im Vergleich zum Frankfurter Café ist die neue Konditorei winzig. Dennoch sieht man auf dem Foto die stolze Clothilde.
Als Soldat in Japan
Mit 18 wird Walter Soldat und absolviert die Grundausbildung. Als amerikanischer Staatsbürger amerikanisiert er seinen Namen. Nun heißt er Walter Norman Falk und nicht mehr Norbert. Bei den ersten Truppen, die in Japan an Land gehen, ist er dabei. Asien ist für ihn eine neue, fremde Welt mit fremder Sprache und ohne Möglichkeit der Kommunikation mit den Einheimischen. Er ist froh, dass er als Soldat für die Unterhaltung der Truppe zuständig ist, organisiert ein Theater mit Shows und Aufführungen. Acht Monate verbringt er in Tokio, bevor er in den Süden versetzt wird. Am Ende seines Aufenthalts sieht er auch Hiroshima und Nagasaki nach der Zerstörung und ist erschüttert. Nach zwei Jahren kann er die Armee als Sergeant verlassen. Er erinnert sich, wie er bei der Heimkehr in den Hafen von San Franzisco seinen Seesack ins Meer wirft und sich auf ein normales Leben ohne Krieg freut. Mit dem Zug geht es in vier Tagen quer durch die USA zurück zur Ostküste.
Ein neues Leben in New York
Vater Benno will, dass sein Sohn Konditor wird bzw. ins Hotelfach geht, aber Walter entscheidet sich für eine Schule, auf der er eine Ausbildung als Textildesigner machen kann und wird Designer für Damen-und Herrenbekleidung. In einem jüdischen Club, in den ein Freund ihn mitnimmt, lernt er seine spätere Ehefrau Ellen kennen. Ellen ist 1931 in Dresden als Ellen Peine geboren. Zusammen mit ihren Eltern wird sie als Kind nach Ausschwitz deportiert. Mutter und Tochter überleben Ausschwitz, aber der Vater wird dort ermordet.
Walter heiratet Ellen und sie bekommen zwei Söhne, David Peter und Gary. David Peter stirbt 19 Jahre jung an Krebs. Im Interview mit der Shoah Foundation erzählt Walter, wie schwer der Tod seines Sohnes ihn und Ellen belastet habe, nach allem, was sie haben durchmachen müssen.
Gary berichtet bei seinem Besuch in Frankfurt, dass ihn dieses traurige Familienereignis motiviert habe, Arzt zu werden.
Walter und Ellen besuchen Frankfurt
1997 entschließen sich Ellen und Walter der Shoah Foundation von Steven Spielberg Interviews über ihre Erlebnisse in Europa während des Holocausts zu geben. Zum ersten Mal sprechen sie ausführlicher über ihre Erlebnisse in Europa, ihre Kinder jedoch versuchen sie zu schonen, indem sie mit ihnen kaum über die Vergangenheit sprechen.
2004 nimmt Walter zusammen mit seiner Frau Ellen am Besuchsprogramm der Stadt Frankfurt teil und sucht die Orte seiner Kindheit auf. Ellen kommt aus Liebe zu ihrem Mann mit, denn sie selbst habe eigentlich nie wieder deutschen Boden betreten wollen. Nach Auskunft des Sohnes Gary fehlte ihr aber die Kraft, an einem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern teilzunehmen.
Im Interview erzählt Walter, wie sehr er nach 46 Jahren im Arbeitsleben seinen Ruhestand mit Ellen genießt und glücklich ist, dass er mit ihr den Holocaust überlebt hat und nun ein friedliches Leben führen kann: „I am happy to be here alive with my wife and family.“ Religion ist für ihn das, was sich im Herzen des Menschen abspielt und wie man seine Mitmenschen behandelt, und er habe die Liebe in seiner Familie gefunden. Bis zu seinem Tod 2008 leben Walter und Ellen in Southampton auf Long Island, nachdem sie als Rentner Jackson Heights in N.Y. verlassen haben. Hier kann er sich besonders der Gartenarbeit widmen.
Besuch der zweiten und dritten Generation
Bei seinem Besuch 2018 stellt sich heraus, wie wenig Gary Falk und seine Tochter Amy über die Vergangenheit von Walter und Ellen Falk wissen. Vor allem suchen sie den Ort auf, wo das alte Café Falk stand und machen viele Fotos. Danach geht es in die Große Eschenheimer Straße und zur Zeil, wo Walter bis März 1939 wohnte.
Gary Falk besucht mit Amy einen Geschichtsleistungskurs an der Ernst-Reuter-Schule 1 und berichtet den interessierten Schülerinnen und Schülern über die Geschichte seiner Eltern und des Café Falk in den 30er Jahren. Amys geliebte Großmutter „Oma“ Ellen, mit der sie wöchentlich telefoniert hat, hat ihr bei Nachfragen immer mitgeteilt, sie könne über alles mit ihr reden, nur nicht über die Zeit in Auschwitz. Sie habe immer versucht, ihre am Arm eintätowierte Auschwitz-Nummer mit Makeup zu verbergen, um lästigen Fragen zu entgehen. Amy selbst kann bis heute keine Filme über die Nazizeit ansehen und konnte sich bislang auch nicht die beiden Interviews mit den Großeltern aus dem Jahr 1997 ansehen. Auch Gary hat bisher nur das Interview mit seinem Vater anschauen können, denn er hat den großen Schmerz seiner Mutter gespürt, auch wenn sie nicht darüber sprechen konnte. In diesem Jahr, 2018 ist Ellen Falk gestorben, und die Trauer über diesen Verlust ist bei Gary und Amy groß.
Die Klasse nimmt beide Besucher positiv auf und stellt eine Verbindung zu Diskriminierung und Flucht in ihren eigenen Migrationsgeschichten her. Eine Schülerin ist sehr betroffen und bricht in Tränen aus, als sie ihre Geschichte der Flucht aus Afghanistan erzählen will. Die Traurigkeit bei Gary und Amy über das, was ihren Großeltern in Deutschland wider¬fahren ist, ist deutlich spürbar und regt einige Schüler und Schülerinnen dazu an, über die eigene Auswanderungsgeschichte zu erzählen. In einer Email schreibt die Schülerin Ann-Cathrin im Namen der 12f an Gary:
“We are deeply grateful that you had the time to visit our class, and we are really touched by your story…Talking to you we realized that the issues you and your family had to deal with are still there, and we are aware that history can repeat.”