Doch die Verhältnisse ließen dies nicht zu. Nach dem Novemberpogrom konnte Manfred keine Schule mehr besuchen. Anfang 1939 konnte er nach Schweden fliehen, um dort eine landwirtschaftliche Ausbildung zu beginnen. Damit hatte er die Möglichkeit, sich auf die Weiterreise nach Palästina vorzubereiten. Von Februar 1939 bis 1941 blieb er in Schweden.
Aufgrund der restriktiven Einwanderungsbestimmungen der Mandatsmacht England war es nur schwer möglich, ein Zertifikat für die Einreise nach Palästina zu erhalten. So bemühten sich verschiedene Organisationen, Kindern und Jugendlichen einen vorübergehenden Aufenthalt in einem Transitland wie Schweden, den Niederlanden oder der Schweiz zu ermöglichen. Die Jugendlichen wurden teilweise schon in Deutschland in gewerblichen Anlernwerkstätten oder landwirtschaftlichen Lehrgütern wie dem Ahrenshof oder dem Gehringshof bei Fulda auf die Auswanderung vorbereitet. Schweden nahm insgesamt etwa 500 Kinder auf, von denen allerdings die Mehrzahl in Schweden blieb.
Als Jugendlicher ein Neuanfang in Palästina
Manfred Hess gehörte zu denjenigen, die 1941 die Möglichkeit erhielten, mithilfe der Jugendalijah die Einreiseerlaubnis für Palästina zusammen mit einer Gruppe von Kindern zu erhalten. Der Weg nach Palästina war gefahrvoll und lang. Die direkten Wege waren meistens versperrt, so dass die Gruppe erst über viele Umwege ihr Ziel erreichte, mit dem Schiff nach Finnland, weiter mit dem Zug über Leningrad, Odessa, Istanbul nach Beirut und schließlich nach Palästina. Dort besuchte er noch ein Jahr lang eine landwirtschaftliche Schule in Mikwe Israel, bis er 1942 in den Kibbuz Sde Elijahu kam.
Die neue Heimat – Kibbuz Sde Elijahu
Der Kibbuz Sde Elijahu in der Nähe des Sees Genezareth ist ein religiöser Kibbuz. Diese Gemeinschaftssiedlung wurde am 8.5.1939 von jüdischen Flüchtlingen aus Nazideutschland gegründet. Benannt ist sie nach Rabbiner Elijahu Guttmacher, einem der frühen Führer des religiösen Zionismus im 19. Jahrhundert. Die Religiös Zionistische Bewegung verbindet die Idee des Zionismus mit dem orthodoxes Judentum.
Der Kibbuz produziert Datteln, Trauben, Granatäpfel, Gewürze, sowie Feldfrüchte, hält Milchvieh und Geflügel. Angebaut wird nach den Methoden des ökologischen Landbaus ohne Pestizide.
In dieser Gemeinschaftssiedlung fand Manfred Hess ab 1942 seine neue Heimat. Hier heiratete er 1945 (weißt du, wie die Frau hieß?) und die vier Kinder Yael, Avner, Yoav und Mira kamen hier zur Welt.
Manfred Hess fand seine Lebensgrundlage im Kibbuz und in seiner Familie. Seine Schwiegertochter Ora beschreibt ihn als einen offenen Menschen, der eine besondere Stärke darin zeigte, unterschiedlichen Ansichten miteinander zu verbinden und Probleme zu lösen. (Mail von Ora Hess an Christa Fischer) Außerdem zeichnete ihn sein Bildungshunger aus. Er las viel, besuchte Museen und ging gerne in Konzerte. Viele Jahre lang spielte er Flöte in einem kleinen lokalen Orchester.