Für Miriam, Henry und Michael Israel ist es der erste gemeinsame Besuch in der früheren Heimat.
Sie haben sich zu einem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern bereit erklärt. Da die Eltern der drei Geschwister die Samson-Raphael-Hirsch-Schule besucht haben, bot ihnen die Projektgruppe „Jüdisches Leben in Frankfurt“ die Möglichkeit, im Gagern-Gymnasium zu sprechen. Die Schule trägt viel zur Erinnerung an die Hirsch-Realschule bei, denn das Gelände der früheren jüdischen Schule ist heute Teil des Gymnasiums.
Gefragt nach ihren Gefühlen bei ihrem Besuch in Frankfurt sagt Henry, er sei nicht emotional berührt. Es sei kein „guilt trip“, betont er. Sie seien überall herzlich aufgenommen worden. Miriam findet den jüdischen Friedhof in Wien, den sie vor 14 Jahren gesehen hat, eindrucksvoller, aber sie habe in Wien viel mehr Antisemitismus gespürt: „Die Menschen sind uns aus dem Weg gegangen, wenn sie erfahren haben, dass wir jüdisch sind.“ In England gäbe es allerdings auch Antisemitismus, vor allem bei den Muslimen und bei Intellektuellen. Michael plädiert in diesem Zusammenhang für Toleranz.
Bei dem Gespräch in der Schule ist auch die Mutter eines Schülers anwesend. Sie fragt, ob die Geschwister religiös seien, weil einer der Brüder die Kippa trüge. Mit der Kippa wolle er seine religiöse Identität demonstrieren, sagt er. Vor dem Holocaust hätten jüdische Männer keine Kippa getragen, lediglich in der Synagoge, nur um nicht aufzufallen. Heute hätten sie keine Angst mehr, die Kippa zu tragen.
Die Geschwister Israel möchten auch etwas von den Schülerinnen und Schülern wissen. So fragt Michael Israel, ob jemand mit den Eltern oder Großeltern über den Zweiten Weltkrieg gesprochen habe. Die Jugendlichen schweigen, vielleicht trauen sie sich nicht, die Fragen zu beantworten. Die Israels möchten auch wissen, wie die Jugendlichen über die Aktivitäten von Neonazi-Gruppen denken. Diese seien eher in Ostdeutschland aktiv, antworten die Schülerinnen und Schüler. Ob die Klasse schon in einer KZ-Gedenkstätte war, interessiert die Geschwister. Eine Fahrt nach Buchenwald sei im kommenden Jahr vorgesehen, informiert die anwesende Geschichtslehrerin, Hannelore Ochs. Für die Schülerinnen und Schüler sei die Diskrepanz zwischen der Gedenkstätte und der Stadt Weimar immer sehr hart.
Eine weitere Lehrerin fragt die Geschwister Israel/Sklar nach ihrer Einschätzung im Hinblick auf eine Lösung im Israel-Palästina-Konflikt. Henry Israel meint dazu: „There is no solution in the near future. The schoolbooks in Palestine picture Israelis as enemies and perpetuate hate. Negative propaganda is the problem. It will take at least two generations to overcome that attitude.” Und er ergänzt: „Israel is a normal country.“
Der Empfang in der Schule und das Gespräch mit den Jugendlichen haben für die Geschwister Israel eine große Bedeutung.
“We were most impressed with their (the students’) quality, their understanding of the subject, their English (!) and their openness & friendliness. The headboy and headgirl were amazing and a great advertisement for the school. Their teacher and also their headteacher too, are wonderful and impressive leaders. If I could turn the clock back and go to school again, she would be the teacher I would like to be taught by! I forgot to add thanks to the Headmaster and others for the lovely reception they gave us after the visit and for being so thoughtful to provide us with all kosher products. This was really much appreciated by us all.”
Spurensuche
Die Israels blicken stolz auf eine lange Reihe von Vorfahren in Deutschland. Vor allem Henry beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Familienforschung. Mit Hilfe von Hans-Peter Klein, einem Forscher der jüdischen Geschichte Nordhessens, hat er einen Stammbaum erstellt, der den Rahmen dieser Dokumentation sprengen würde. Hier einige Auszüge:
Der Stammvater war Salomon Heinemann und lebte von 1710 bis 1780 in Zierenberg.
Ab der zweiten Generation nannten sich die Zierenberger Heinemanns Israel. Ab der vierten Generation, also ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, zogen viele der Nachkommen in größere Städte wie Kassel oder Frankfurt oder nach Göttingen, Hildesheim, Darmstadt.
Der erste Israel, der in Frankfurt geboren wurde, war Arthur Israel, der erste Sohn von Salomon/Sali und Rosa Israel. Er wurde am 14. April 1903 in Frankfurt geboren. Ihm folgten drei Geschwister: Walter, 1905, der Vater von Miriam, Henry und Michael Israel, Toni, 1907, und Harry, 1922. Nachdem Rosa Israel 1923 starb, heiratete Salomon/Sali Israel in zweiter Ehe Bertha Goldschmidt aus Felsberg. Sie hatten zusammen noch zwei weitere Kinder: Selma Ilse, geb. 1925, und Irmgard, geb. 1928.
Bei ihrem gemeinsamen Besuch in Frankfurt setzten die Geschwister ihre Spurensuche fort, erhielten neue Informationen und erreichten, dass für ihren Onkel Harry, über dessen Schicksal bislang nichts bekannt war, eine Plakette an der Gedenkstätte am Börneplatz ergänzt wird.
Obwohl Miriam anfangs sehr unsicher war, ob sie die Einladung der Stadt annehmen sollte, waren alle drei Geschwister glücklich, dass sie gemeinsam den Spuren ihrer Vorfahren in Frankfurt und in Nordhessen nachgegangen waren und mit Jugendlichen in Frankfurt gesprochen hatten.
“This was a remarkable trip and also brought us into contact with other lovely ex-Frankfurters. Thank you for the opportunity!”