KURZBIOGRAPHIE

Name:
Ronit Hauer und Ruth Shaul

Teilnahme am Besuchsprogramm: 2012
Teilnahme der Mutter Alisa: 2010

Ronit Hauer und Ruth Shaul leben in Israel.

Ihre Mutter, Alisa Bar-Lev, geb. Stern wurde 1934 in Florstadt in der Wetterau geboren.

Unter der Naziherrschaft wanderte die Familie 1937 nach Palästina aus.

Alisa heiratet nach 1948 den polnischen Holocaust Überlebenden Carl Bar-Lev.

2010 nahm Alisa Bar-Lev an dem Frankfurter Besuchsprogramm teil, ihre beiden Töchter zwei Jahre später.


Quellen:

  • „Eine Zeitzeugin im Gespräch mit Schülern“ Hochtaunus-Verlag 15.07.2010
  • „Zeitzeugen aus Israel“ Katharina Schmidt, Kaiserin-Friedrich-Gymnasium Bad Homburg 01.06.2013
  • Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt (PJLF): Informationen von Ronit Hauer und Ruth Shaul

Fotos:
Henny Ludwig, Angelika Rieber

Text:
Gaby Thielmann

Ronit Hauer und Ruth Shaul

Deutschland ist ein schönes Land

von Gaby Thielmann

2010 nahm die Mutter Alisa Bar-Lev am Besuchsprogramm der Stadt Frankfurt teil und hat damals auch ihren Heimatort Florstadt besucht, den sie als kleines Mädchen nach zahlreichen Demütigungen mit ihrer Familie verlassen hatte. Den Schülern des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums in Bad Homburg berichtete sie von der harten Zeit, verbunden mit erneuter Ausgrenzung in Palästina.

Nach dem Krieg erreichten viele Überlebende des Holocaust das neugegründete Israel und erst langsam besserten sich die Lebensbedingungen für Alisa und ihren polnischen Mann Carl. Die beiden Töchter wurden geboren.

Ronit Hauer und Ruth Shaul sind beide Lehrerinnen in Israel. Bei ihrem Besuch im gleichen Gymnasium in Bad Homburg schilderten sie die heutigen Lebensbedingungen in Israel, die sie mit den Bedingungen in den USA verglichen.

Sie berichteten, dass der Holocaust in der Familie ein Tabuthema war, von dem sie erst im Schulunterricht erfuhren. Wenn sie heute – auch mit Schülern – durch Deutschland reisen, empfinden sie es als ein schönes Land, das ihnen durch Schilderungen der Mutter vertraut ist.

Ruth und Ronit sind die Töchter von Alisa Bar-Lev, die 2010 mit ihrem Mann Carl für zwei Wochen an dem Besuchsprogramm teilgenommen hatte.

Die Geschichte der Mutter Alisa Bar-Lev

Alisa wurde 1934 in Florstadt in der Wetterau geboren. Ihre Eltern Siegfried und Leni Stern, geborene Kahn, mussten die menschenverachtende Behandlung der jüdischen Mitbürger während der Zeit des Nationalsozialismus am eigenen Leib miterleben. So wurde 1934 Siegfried von nazi­treuen Deutschen geschlagen und sein Geschäft mit der Parole „Nicht bei Juden kaufen“ beschmiert. Dies hatte gravierende Auswirkungen auf die Lebenssituation der Familie. Alisas Mutter Leni bestand darauf, dass die Familie nach Palästina auswanderte.

Aus den Erzählungen der Mutter wusste Alisa, dass am Anfang das Leben in der arabischen Umwelt und der mediterranen Hitze sehr schwer war. Die harte Arbeit im Hafen brachte den Vater an seine Grenzen. Alisa war in der Schule das einzige deutsche Kind und wurde von Mitschülern als „Nazi“ beschimpft. Man sagte ihr sogar, sie solle verschwinden. Durch die anhaltende Armut der Familie konnte Alisa keine weiterführende Schule besuchen. Sie arbeitete in einem Polizeibüro und bildete sich abends weiter.

Als 1948 der Staat Israel gegründet wurde, kamen sehr viele Überlebende des Holocaust aus Russland und Polen dorthin. Die jungen Männer mussten alle sofort zum Militärdienst einrücken, so auch Alisas polnischer Ehemann. Er leidet noch heute so sehr unter den Erlebnissen der Shoa, dass er nicht darüber reden kann.

Ronit und Ruth

Aber mit der Zeit wurde das Leben in Israel besser für Alisa und Carl. 1956 wurde ihre Tochter Ronit und 1960 die Tochter Ruth geboren. Beide sind verheiratet und leben in Haifa, wie die Eltern. Ronit ist Grundschullehrerin und Ruth arbeitet als Gymnasiallehrerin. Für ihre Schule organisiert sie seit sieben Jahren den Schüleraustausch mit Ravensburg und Weingarten in Baden-Württemberg.

Der Besuch in Frankfurt

Leider konnten die beiden Schwestern nicht bis zum Ende des Besuchsprogramms bleiben, sondern mussten schon am Samstag, dem 2.6.2012, zurückfliegen. Daher kam es leider nicht zu einem Besuch in Florstadt, wo ihre Mutter aufgewachsen war. Der Besuch dort und das Wiedersehen mit dem Elternhaus hatten Alisa Bar-Lev damals sehr gerührt.
Aber beide, Ruth Shaul und Ronit Hauer, besuchten am Freitag das Kaiserin–Friedrich-Gymnasium in Bad Homburg, so wie auch ihre Mutter zwei Jahre zuvor.

Dort berichteten sie einer Oberstufenklasse von ihrem Leben in Israel heute. Sie erzählten, dass ihr Leben in ganz geordneten Bahnen verlaufe und nicht dauernd von Anschlägen oder Unruhen gezeichnet sei. Sie sagten, die Nachrichten gäben ein falsches Bild von Israel wieder, vielmehr ähnelte der Alltag dem Lebensstil der USA. Von den Schülern nach ihren Erfahrungen mit dem Holocaust befragt, konnten sie natürlich über keine persönlichen Erfahrungen berichten. Aber es war interessant zu hören, dass die Eltern und Großeltern ihnen gegenüber nie über die schmerzlichen Umstände während des Holocaust gesprochen hatten. Es war auch in ihrem Leben ein Tabuthema. Erst in der Schule erfuhren sie von der Verfolgung und Vernichtung der Juden. Sie erzählten, dass dieses Wissen große Wut und Unverständnis in ihnen ausgelöst habe. Heute befasse man sich öfter und unbefangener mit dem Thema.

Ihr Eindruck von Deutschland

Von den Eltern und Großeltern hatten sie viel von den „guten Zeiten“ im Deutschland vor dem 2. Weltkrieg gehört. Bei ihren Reisen mit Schülern denken sie nicht an die schreckliche Vergangenheit. Deutschland erscheint den beiden Schwestern heute als ein sehr schönes Land, in dem sie sich wohlfühlen und durch die Erzählungen der Mutter Vertrautes wiederfinden.