KURZBIOGRAPHIE

Familie Hirsch/Oppenheimer

Besuchsprogramm 2022 (Bertil und Rolf Oppenheimer)

Sigmund Hirsch
1878 in Speyer – 1964 in Stockholm, Schweden
Beruf: Weinhändler und Inhaber einer Exportfirma für Farben und Lacke

Betty Hirsch, geb. Falkenstein
1888 in Frankfurt am Main – 1933 in Frankfurt am Main/ Flucht in den Tod
Bockenheimer Landstraße 107, Frankfurt a.M.

Kinder:
Elli Oppenheimer, geb. Hirsch
1913 in Frankfurt am Main – 1984 in Stockholm/Schweden
Schulen: Steimers Mädchenschule, Städtische höhere Handelsschule

Gerhard Hirsch
1918 in Frankfurt am Main – 2008 in Zug/Schweiz
Schule: Wöhler Schule

Ehemann von Elli Oppenheimer:
Kurt Oppenheimer
1910 in Frankfurt am Main – 1978 in Stockholm/Schweden
Schulen: Philantropin, Reformrealgymnasium; Kaufman, Getreidehändler, Farbe- und Lackexporteur

Cornelie Werthan
1882 in Worms – 1962 in Stockholm/Schweden
Lersnerstraße 30a, Frankfurt a.M.


Quellen:
• Reichsarchiv in Stockholm
• Auswärtiges Amt in Berlin, Politisches Archiv
• The Netherlands Red Cross WW II Archives & Research Unit in den Haag • Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt /Main
• Stadtarchiv in Speyer
• Hessisches Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden
• Dienst Burgerzaken in Rotterdam
NIOD Instituut voor Oorlogs-,Holocaust- en Genocidestudies in Amsterdam
• Bertil Oppenheimer: Till Sverige : historien som aldrig blev berättad, Stockholm 2010.

Text:
Mona Wikhäll und Philipp Müller

Recherche:
Mona Wikhäll und Angelika Rieber

Fotos:
Bertil Oppenheimer, Philipp Müller

Erschienen:
2023

Elli und Kurt Oppenheimer

Die Familie Hirsch/Oppenheimer – Eine schwedisch-deutsche Familiengeschichte

Mona Wikhäll und Philipp Müller

2022 folgten die beiden Brüder Bertil Oppenheimer, Autor des Buches „to Sweden – the story that was never told“, und Rolf Oppenheimer der Einladung des Besuchsprogramms der Stadt Frankfurt. Sie sind Söhne des Ehepaares Elli und Kurt Oppenheimer, die 1937 heirateten und noch im gleichen Jahr aus Deutschland flohen. Zunächst fanden sie Unterschlupf in den Niederlanden. Nach dem Beginn der deutschen Besatzung 1940 tauchte das Ehepaar unter wurde versteckt, bis ihnen schließlich August 1943 die Ausreise nach Schweden gelang, wo bereits Ellis Vater Sigmund Hirsch auf sie wartete. Er hatte bereits einige Jahre früher Handelskontakte nach Schweden aufgebaut. Für Kurt und Elli begann nun ein neues Leben in ihrer neuen Wahlheimat Stockholm.

Die Emigrationsgeschichte der Familie begann mit Sigmund Hirsch, der 1878 in Speyer geboren wurde. Dort besuchte Sigmund erst die Volksschule und danach drei Jahre das Realgymnasium. Als er 12 Jahre alt war, starben seine Mutter und etwa ein Jahr später sein Vater. Er war mit knapp 14 Jahren Vollweise. Sigmund hatte acht Geschwister und Halbgeschwister. Der Vater Elias war zwei Mal verheiratet gewesen. In den beiden Ehen wurden insgesamt neun Kinder geboren. Von diesen acht Geschwistern wanderten schon sechs vor der Machtübernahme Hitlers nach Schweden aus, entweder durch Heirat oder durch Geschäftstätigkeiten. Sigmunds Halbschwester Emma hatte dort 1883 den Weinhändler Adolf Lion geheiratet, der aus Mainz stammte und später die schwedische Staatsangehörigkeit erwarb. Emma und Adolf Lion nahmen Sigmund nach dem Tod der Eltern in ihre Obhut und er konnte im April 1892 in Schweden einreisen. Dort bekam er Sprachunterricht, lernte abends bei einem Handelsinstitut und tagsüber arbeitete er als Lehrling im Weinhandel seines Schwagers. Nach zehn Jahren als Handelsvertreter für Adolf Lions Weinhandel, wurde er 1906 Teilhaber. 1909 siedelte er nach Frankfurt am Main um und gründete mit seinem dort wohnenden Bruder Ludwig Hirsch eine Großhandlung für Weinexport in die skandinavischen Länder. Später betrieb er die Firma allein. Ludwig floh schon 1935 nach Holland, um der Verfolgung des Naziregimes zu entkommen.

Weinhandel Gebrüder Hirsch

1912 heiratete Sigmund Hirsch Betty Falkenstein, die aus einer alten Frankfurter Familie stammte. Sie war als Tochter von Lea und Karl Falkenstein 1888 geboren und hatte eine ältere Schwester Alice. Der Vater, Karl Falkenstein, war Uhrmacher und Teilhaber einer Uhrenfirma „Sigmund Stern & Co.“ Betty wurde von ihren Verwandten als eine kluge und liebenswerte junge Frau, aber auch als ängstliche Person geschildert. Sie kümmerte sich fürsorglich auch nach der Heirat um ihre Eltern. 1913 wurden die Tochter Elli und 1918 der Sohn Gerhard geboren.

Sigmund erweiterte seine Geschäfte um eine Likörfabrik und später eine Exportfirma für Farben und Lacke. Betty hatte eine kaufmännische Ausbildung genossen und war als Prokuristin für den Weinhandel der „Gebrüder Hirsch“ registriert. Da Sigmund sich oft auf längeren Geschäftsreisen, auch im Ausland befand, lasteten viele Aufgaben auf Betty, sie kümmerte sich um die Erziehung der Kinder, trug Verantwortung für das große Geschäfts- und Wohnhaus und die Ökonomie der Firmen. Anfang der dreißiger Jahre nahmen die antisemitischen Anfeindungen sowohl von staatlicher Seite wie von anderen Kaufleuten zu. „Arier kaufen nicht von Juden“: Das bekam der Großhandelsbetrieb stark zu spüren. Wenn Geld aus dem Reich unerlaubt ausgeführt wurde, konnte es hart bestraft werden. Betty befürchtete, dass Sigmunds viele Auslandsreisen gegen ihn verwendet werden könnten. Sigmund hatte schon zu dieser Zeit Versuche unternommen, in Schweden Zuflucht zu finden, um dort für sich und die Familie eine neue Existenz aufbauen zu können, aber damals ohne Erfolg. Betty wollte Frankfurt nicht verlassen und somit ihre Eltern alleine zurücklassen. Sie fühlte sich von Sigmunds Plänen sehr bedrängt und kämpfte mit Depressionen. Als dann 1933 Hitler die Macht ergriff und die täglichen Schikanen zunahmen, geriet sie in Panik, wusste keinen Ausweg und nahm sich im Oktober 1933 das Leben. Die Tochter Elli hatte sie gefunden, aber zu spät.

Der Sohn Gerhard hatte mit 14 Jahren gerade das 6-jährige Realgymnasium beendet. Kurz nach dem Suizid der Mutter konnte Sigmund für den Sohn bei seiner Schwester Hermine Hirsch eine Zuflucht in Schweden organisieren. Sie übernahm zunächst die Verantwortung für seine Erziehung und Ausbildung. So kam Gerhard als Jugendlicher, ähnlich wie sein Vater im selben Alter, als Halbwaise, der Vater als Waise nach Schweden. Er fand einen Ausbildungsplatz in einem Metallbetrieb bei einem weiteren Onkel, Oskar Hirsch, in Stockholm, wo er später in der Buchhaltung beschäftigt wurde. Neben der Arbeit studierte er Sprachen und war sehr musikinteressiert, lernte als Kind Geige spielen und war später Mitglied in einem jüdischen Orchester.

Dem Vater Sigmund Hirsch gelang 1937 nach vielen Mühen die Flucht und Einreise nach Schweden. Die beiden Firmen für Weinhandel und Farbexport hatte er 1937 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aufgeben müssen. Seine Versuche, sich als Händler in Schweden niederzulassen, waren abgelehnt worden. Nach der Flucht haben Verwandte und Freunde ihn unterstützt und für seinen Unterhalt garantiert. 1938 fand er eine Anstellung als Handelsreisender in einer Importfirma für Farben. Ein Jahr später (1939) konnte Sigmund mit seinem Sohn wieder zusammenleben. Beide haben danach jahrelang kämpfen müssen, um Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis in Schweden zu bekommen, jeweils nur für ein halbes Jahr. Erst 1942 erhielten Vater und Sohn Fremdenpässe, nachdem, wie allen Juden, die im Ausland lebten, ihre Pässe und die deutsche Staatsangehörigkeit 1941 aberkannt wurden. Eine Reihe Verwandte, wie Sigmunds Bruder Oscar Hirsch und der Schwager Martin Waldenström, Direktor des Eisen- und Stahlkonzerns „Grängesbergsbolaget“, mussten ihnen ihre Unbescholtenheit in Lebensweisen und finanziellen Dingen immer wieder bezeugen.
1953 anlässlich seines 75. Geburtstages gründete er den „Sigmund und Betty Hirsch Fond“, der das jüdische Altersheim in Stockholm finanziell unterstützte. Sigmund Hirsch wurde in einem langen Wiedergutmachungsprozess einige Jahre vor seinem Tod 1964 eine Rente von ca. 700 DM zugesprochen.

Elli und Kurt Oppenheimer

Die Tochter Elli Hirsch war 1913 in Frankfurt geboren, besuchte 10 Klassen in der Steimers Mädchenschule und anschließend die Städtische Höhere Handelsschule und fing danach eine kaufmännische Lehre bei der Firma Manko AG an. Als die Mutter knapp zwei Jahre später durch Suizid starb, war sie 19 Jahre alt. Danach musste sie die Aufgaben der Mutter übernehmen, sowohl im Haushalt wie im Farb- und Lack-Betrieb des Vaters. Über ihren Onkel Ludwig Hirsch, der neben Weinhandel eine Getreidefirma betrieb, lernte Elli Kurt Oppenheimer kennen.

Kurt Oppenheimer wurde in Frankfurt 1910 geboren und hatte eine drei Jahre ältere Schwester Liesel. Der Vater Simon Oppenheimer, Kaufmann von Beruf, ist im ersten Weltkrieg schon 1914 an der Ostfront in Polen getötet worden. Es folgten harte Zeiten für die alleinstehende Mutter Cornelie. Sie musste mit 32 Jahren mit zwei kleinen Kindern, sieben und vier Jahre alt, und ohne eine richtige Berufsausbildung für das Auskommen sorgen. 1920 heiratete sie den Getreidehändler Leopold Werthan, ein Kriegsinvalid. Kurt besuchte erst die jüdische Schule Philantropin, ein Realgymnasium. Nach der Obersekunda musste er die Schule zwei Jahre vor dem Abitur mit sehr guten Zeugnissen verlassen. Er hatte eine kaufmännische Lehre angefangen, um zum Unterhalt der Familie beitragen zu können. Das fehlende Abitur hat er immer wieder bedauert. Er fand Anstellungen u.a. in einer Bank, bevor er in die Firma seines Stiefvaters eintreten konnte. Als Leopold Werthan 1932 starb, konnte er die Firma übernehmen, nachdem er andere Erben ausbezahlt hatte, und betrieb sie mit großem Erfolg. Ab 1935 wurden die Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen jüdische Firmen täglich schlimmer. Innerhalb eines Jahres wurde der Umsatz seiner Firma halbiert.

Im Februar 1937 hatten Elli und Kurt sich verlobt und wurden im Mai vom Rabbiner Dr. Georg Salzberger in der Westendsynagoge getraut. Georg Salzberger war auch Ellis Konfirmationslehrer gewesen. Den Kontakt zu ihm hielt Elli auch nach dem Krieg aufrecht. Grußtelegramme und Gedichte fürs Brautpaar während des Hochzeitsessens im Parkhotel vorgetragen, vermitteln eine scheinbar sorglose Stimmung. So endet der Onkel Jacob Mayer, verheiratet mit Sigmunds Schwester Hedwig, seine Rede mit „vergiss alle Sorgen in dieser ernsten Welt – ist es nicht wunderbar, ganz einfach wunderbar, dass in unserer Zeit noch Hochzeiten gefeiert werden – ist es nicht wunderbar?“. In einem Brief vom Bruder Gerhard in Schweden an Elli kurz vor der Heirat, spürt man die Traurigkeit über alles, was verloren gegangen war, „als ich diese Zeilen schreibe, sehe ich vor meinen Augen unsere ganze vergangene Zeit, wie im Film: unser Zuhause, unsere gemeinsame Schulzeit, Konfirmation, Barmitzwa, dein Besuch in Stockholm, meine Zeit in diesem Land und vor allem unsere geliebte Mutter, die diesen Tag nicht erleben durfte…“. Kurt unternahm mit dem Schwiegervater Sigmund eine letzte Geschäftsreise nach Holland, wo sie vergeblich versuchten, Kunden für Sigmunds Weinhandel zu finden, aber ohne Erfolg.

Über die Niederlande nach Schweden

Kurt untersuchte in Rotterdam Möglichkeiten, auch für sich und Elli eine Bleibe zu finden. Dort trafen sie Sigmunds Bruder Ludwig Hirsch und seine Frau Lotty, die schon 1935 aus denselben Gründen, wie jetzt Sigmund, aus Frankfurt fliehen mussten.

Sigmund Hirsch wurde gezwungen, das Haus in der Bockenheimer Landstraße zu verkaufen, die Verkaufssumme wurde auf deutschen Banken festgefroren und beschlagnahmt. Der Schwiegersohn Kurt hatte sich um die Auflösung der Firmen und die Abwicklung des Hausverkaufes gekümmert, nachdem Sigmund damit völlig überfordert war, bevor er im September nach Schweden flüchten konnte.

Kurt Oppenheimer konnte länger als andere jüdische Unternehmer seine Getreidefirma halten, da er, als „privilegierter Jude“ galt, weil sowohl sein Vater wie sein Stiefvater kriegsdekoriert waren. Am Ende half das auch nicht. Seine Geschäfte wurden blockiert. Die „arischen“ Kaufleute wollten oder wagten nicht Geschäfte mit ihm zu machen. Die Gewerbeerlaubnis wurde ihm entzogen und er musste auch seine eigene Firma auflösen.

Kurt und Elli sahen keine Möglichkeit, sich gegen die Ausgrenzungen und die Verfolgungsmaßnahmen zu wehren oder für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, und suchten Wege zur Flucht. Im Dezember 1937 verließen sie Frankfurt und reisten über Holland mit einem Touristenvisum zu ihren Verwandten in Schweden. In Rotterdam konnten sie bereits eine Aufenthaltsgenemigung bekommen. In Schweden versuchten sie im Februar 1938 vergeblich eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, mussten aber das Land verlassen und kehrten nach Holland zurück. Kurt gründete eine kleine Firma für Farben und Lacke; Elli übernahm Strickarbeiten, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Es gelang Kurt, auch seine Mutter, Cornelie Werthan, nach Rotterdam zu holen.

Als die Deutschen 1940 in Holland einmarschierten, zogen sie nach einigen Monaten aufs Land außerhalb von Utrecht, um sicherer vor den Deutschen zu sein. Nachdem mehrere Einwanderungsversuche nach Schweden gescheitert waren, versuchten sie Einreisevisa für verschiedene Länder, wie USA, Ecuador und Venezuela zu erwerben, was glücklos war. Die Situation wurde zunehmend gefährlicher, viele Juden wurden festgenommen und deportiert. Zum zweiten Mal wurden sie durch die Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten ausgeraubt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. Kurt und Elli mussten wieder die kleine Firma auflösen und die bescheidene Wohnung verlassen. Die Möbel wurden beschlagnahmt zugunsten der Besatzungsmacht und jedes Schmuckstück musste abgegeben werden.

Untergetaucht

Im Oktober 1942 wurden Elli und Kurt gezwungen „unterzutauchen“. Sie lebten versteckt bei Nachbarn von Freunden in einem kleinen Speicherraum. Sieben Monate lang konnten sie das Zimmer nicht verlassen, lebten unter ständiger Angst entdeckt zu werden. Auch die Mutter Cornelie musste untertauchen und fand mit Kurts Hilfe ein Versteck bei einer anderen Familie. Über Freunde des holländischen Widerstands wurde illegal das Essen gesichert, das mit dem wenig gebliebenen Geld teuer bezahlt werden musste.

Im Februar 1943 erreichten Sigmund Hirsch, Elli und Gerhard und der Schwiegersohn Kurt die schwedische Staatsangehörigkeit. Was wie ein Wunder scheint, war das Ergebnis von vielen Anträgen von Elli und Kurt, Bittbriefen und Bürgschaften von Familienmitglieder, die während sechs Jahren immer wieder gestellt worden waren.

Aber für die Zustellung dieser Unterlagen brauchten die beiden Untergetauchten eine legale Adresse. Das gelang über die Bestechung eines Gestapomannes. Ein mutiger Bekannter fädelte den Kontakt zu Herrn Konrad ein, der verantwortlich für die Erstellung von Deportationslisten war. Er wollte heiraten und verlangte für eine legale Adresse einen großen echten Perserteppich. Damit war das meiste gesparte Geld von Kurt und Elli aufgebraucht. Es folgte 1943 eine nervenzehrende Reise durch Deutschland nach Berlin zur schwedischen Botschaft, um dort die Einreisevisa entgegenzunehmen. Im August 1943 kamen sie mittellos, physisch und psychisch sehr geschwächt in Stockholm an, aber waren gerettet. Ellis Tante Lotty und Onkel Ludwig Hirsch gelang die Flucht nicht. Ludwig verstarb todkrank in Holland, Lotty wurde bei einer Razzia am 9. April 1943 festgenommen, zuerst nach Westerbork deportiert und schließlich im Vernichtungslager Sobibor am 21. Mai 1943 ermordet.

Ein neues Leben in Stockholm

Mit viel Mühe und Kraft bauten die beiden eine neue Existenz auf. Kurt fand Anstellung in einer Farbenfirma. Hier wurden die beiden Söhne Rolf 1946 und Bertil 1950 geboren. Nach dem Krieg gelang es Kurt, auch seine Mutter Cornelie schwer krank durch die Verfolgung, zu sich nach Schweden zu holen.

Gerhard Hirsch, der Sohn von Sigmund Hirsch, der schon 1933 nach Schweden gekommen war, erhielt gleichzeitig mit seiner Schwester Elli im Februar 1943 die schwedische Staatsbürgerschaft. Er heiratete im selben Jahr Lilly Ullman, die mit ihrer Familie 1938 und 1939 gezwungen wurde, ihre Heimatstadt Wien zu verlassen. Gerhard und Lilly Hirsch bekamen 1947 die Tochter Monica. Gerhard wurde in Schweden erfolgreicher Kaufmann in der Chemiebranche. Die jüdische Religion war ihm wichtig und er unterstütze vor allem die Jugendarbeit jüdischer Vereine. Anfang der 1970er Jahre übersiedelte er in die Schweiz, wo er 2008 gestorben ist. Nach eigenem Wunsch wurde er in Schweden begraben. Auch Cornelie Werthan bekam im Dezember 1945 eine Einreiseerlaubnis für Schweden und wurde dort auch 1955 eingebürgert. Wenige Jahre später starb sie im Kreise der Familie in Stockholm an einem Herzleiden.

Unterschiedliche Schicksale

Kurt Oppenheimer hat für sich und seine Verwandten beinahe zwei Jahrzehnten lang die zermürbenden, manchmal demütigenden Wiedergutmachungsverfahren betrieben.

Diese am Ende geglückte Flucht der Familien Oppenheimer, Hirsch und Werthan, wurde nur möglich durch den Mut, die Kraft und Ausdauer der betroffenen Personen und durch die mutigen, helfenden Hände der Freunde und Nachbarn in Holland und den Verwandten in Schweden.

Leider schaffte es nicht die gesamte Familie zu entkommen. Am 18. August 1942 wurde der 85-Jährige Karl Falkenstein von der Gestapo abgeholt. Kurz zuvor, aber zu spät, hatten die Verwandten in Schweden eine Einreiserlaubnis erwirkt. In seinem letzten Brief hatte er nur um einen Rucksack für die Reise gebeten, etwas Anderes könne er nicht tragen. Vier Wochen später starb er in Theresienstadt. Seine Enkel und deren Kinder erreichten 1960 nach langen Wiedermachungsverfahren eine finanzielle Entschädigung für das Leiden der Familie.

Zu Besuch in der Heimat der Eltern

Bei den Limmud-Kulturtagen 2018 in Stockholm lernten sich Mona Wikhäll aus der Frankfurter Stolperstein-Inititative und Bertil Oppenheimer kennen. Oppenheimer stellte dort sein Buch „Till Sverige-Historien som aldrig blev berättad“ (To Sweden-the story that was never told), das über die Schicksale seiner jüdischen Verwandten aus Frankfurt berichtete, vor. Im Juni 2022 kamen Rolf und Bertil Oppenheimer mit ihren Ehefrauen und der Cousine Monica durch das Besuchsprogramm der Stadt Frankfurt in die Heimat ihrer Eltern Elli und Kurt Oppenheimer. Bertil Oppenheimer besuchte die Heinrich-Kleyer-Schule. Dort referierte er vor den SchülerInnen über seine Familiengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus und stellte sich den Nachfragen der interessierten Schülerschaft. „Es macht die Geschichte so nahbar und gibt dem allgemeinen Wissen, das wir durch unseren Lehrer und die Quellen, die wir gelesen haben, Lebendigkeit. Wir freuen uns, dass Herr Oppenheimer bei uns war – es war ein anderes Lernen, das wir so schnell nicht vergessen werden“ sagte Giovanni der Klasse 12BG2.

Anschließend besuchten sie den Neuen Jüdischen Friedhof, wo Gräber der Verwandten liegen. Die schwedische Kirchengemeinde hatte eine Patenschaft für einen Stolperstein für Bertil Oppenheimers Großvater, Sigmund Hirsch, gestiftet und einen „Kulturkväll“ (Kulturabend) in der Gemeinde arrangiert, wo Bertil Oppenheimer sein Buch über die Schicksale seiner nächsten Verwandten, Eltern, Großeltern und Onkel, die ihr Leben durch die Flucht retten konnten und andere, die deportiert und ermordet wurden, vorstellen konnte. Im Buch wird auch die damalige Situation für Flüchtlinge in Schweden geschildert, etwas, das für die meisten Zuhörer nicht so bekannt war.

Im Jahr 2023 suchte Bertil Oppenheimer erneut die Heimat seiner Eltern auf, um an verschiedenen Stolpersteinverlegungen für seine Familie teilzunehmen. Während seines Aufenthalts hielt Bertil Oppenheimer einen Vortrag über die Familiengeschichte an der Schillerschule in Frankfurt a.M.. Einen Beitrag der Schillerschule hierzu lesen sie hier.