Ihre Tante Regina Wertheimer muss sich nun mit der „Zollfahndungsstelle“ auseinandersetzen. Wer ausreist, muss jeden Gegenstand, den er mitnehmen möchte, in einer Liste aufführen, inklusive Anschaffungszeitpunkt und dem damaligen Wert. Die Listen und das Gepäck werden streng geprüft und, wenn man Glück hat, freigegeben. Die Erstellung dieser Listen und die ständigen Nachfragen und Streichungen werden von den Emigranten verständlicherweise als Schikane empfunden. Die „Zollfahndungsstelle“ wirft Rosa Mader vor, sie habe nicht alle Mitnahmegegenstände in der „Umzugsgutliste“ aufgeführt und falsche Angaben über den Anschaffungspreis und -zeitpunkt gemacht. Solche Beschuldigungen führten häufig zu Nachfragen und Androhungen, allzu oft zur Beschlagnahmung des gesamten Umzugsguts. Schließlich werden einige der Gegenstände beschlagnahmt, unter anderem 4 Sporthemden, 6 Betttücher, 9 Kinderschlüpfer, 2 Damenschlüpfer, 1 Schlafanzug und 6 silberne Kaffeelöffel.
Nach ihrer Flucht nach England ist Rosa Mader zunächst in einem Flüchtlingsheim untergebracht, später arbeitet sie als Hausgehilfin. Nach den Bombenangriffen auf London wird sie nach North Devon evakuiert.
Weitere zwei Jahre lang leben die Familienmitglieder getrennt voneinander in allen Teilen des Landes verstreut, bis sie endlich im Mai 1941 in Devon, Ilfracombe, wiedervereint sind – doch nicht lange, denn Gerszon Mader stirbt ein halbes Jahr später, im November 1941, im Alter von nur 41 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.
Rosa, Max und Edith Mader haben den Holocaust überlebt, viele ihrer Angehörigen jedoch nicht. Tante Regina und die Großmutter Beila Slotwinder-Mader werden am 15. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort stirbt Regina Wertheimer nach wenigen Wochen, die Großmutter im Februar 1944. Auch zwei Brüder von Rosa Mader werden deportiert und ermordet.
Ein Leben für die Musik
Seit die Kinder wieder mit der Mutter zusammen sind, verläuft ihr Leben in ruhigeren Bahnen. Max geht in Devon in die Schule und erinnert sich, dass er dort zum ersten Mal Musikunterricht hat. Seitdem lässt ihn die Musik nicht mehr los. Lebhaft erinnert er sich an das Lied „The Seas of Devon“, das er heute noch singen kann. 1946 zieht Rosa Mader mit den beiden Kindern nach London. In der Schule erhält Max ein Cello und spielt im Schulorchester.
Mit dem Haus, in dem sie lebten, verbindet sich die Erinnerung an Beethovens „Egmont“ und Mozarts „Kleiner Nachtmusik“. In der obersten Etage wohnt ein Ehepaar in einer kleinen Wohnung, die keinen Platz für ihr voluminöses Grammophon bietet. Also stellt das Ehepaar das Gerät in den Flur. Regelmäßig erbebte das Haus mit dieser Musik, denn das Ehepaar besitzt nur zwei Schallplatten.