KURZBIOGRAHIE

Dr. Max Seelig
1885 in Ostpreußen geb., 1968 in Poughkeepsie, NY, gest.

Beruf:
Diplomhandelslehrer
Lehrer am Philanthropin 1905 – 1939

Hermine Grünebaum
1884 in Frankfurt/Main geb., 1966 in Ossining, NY, gest.
1912 Heirat von Max Seelig und Hermine Grünebaum

Verfolgung:
1938 November/Dezember Buchenwald
1939 Emigration nach Brighton/England
1940 Emigration nach Cincinnati/USA, Arbeit als Buchhalter
1941 Ausbürgerung

Tochter:
Lotte Prager, geb. Seelig
1919 geb. in Frankfurt/M. als einziges Kind von Max Seelig und Hermine Grünebaum
2006 in New York gestorben

Teilnahme am Besuchsprogramm 1992

Beruf.:
Lehrerin und Sozialarbeiterin

Verfolgung:
Ein Studium in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird ihr 1937 als Jüdin nicht erlaubt
1937 Flucht nach Brighton/England
1940 Emigration mit den Eltern nach Cincinnati/USA

Familie:
1946 Heirat mit Norbert Prager
Zwei Töchter: Lois Gilman und Susan McCarthy
Lois Gilman: Teilnahme am Besuchsprogramm 2019


Quellen:

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden 676 7359, 518 59255, 518 50299, 519 3 15715/16
  • Tondokument des Zeitzeugengesprächs von Lois Gilman am 17.6.2019 im Albert-Einstein-Gymnasium in Schwalbach/T.
  • Lois Gilman: Familienstammbaum, Korrespondenz, Gespräche während des Besuchs
  • Interview von Lotte Prager durch Angelika Rieber, 1992

Fotos:
Lois Gilman, Janice Frankel, Angelika Rieber

Recherche:
Recherche im Hessischen Hauptstaatsarchiv zu Dr. Max Seelig und Lotte Prager durch Angelika Rieber

Text:
Ingrid Bruch

Familie Seelig-Grünebaum
Lois Gilman geb. Prager

In der Welt zu Hause – die Wurzeln liegen in Frankfurt

Von Ingrid Bruch

Lois Gilman besuchte Frankfurt im Rahmen des Besuchsprograms der Stadt Frankfurt 2019. Sie war bereits mehrmals in Deutschland; da sie kein Deutsch spricht, wurde sie von ihrem deutschsprechenden Ehemann begleitet. Die Wurzeln der Familie von Lois Großmutter Hermine Grünebaum liegen in Frankfurt und gehen bis in die Judengasse und ins 18. Jahrhundert zurück. Ein Ende fand das Leben der Familien Seelig und Grünebaum in Frankfurt durch die Schreckensherrschaft der Nazis; heute, berichtete Lois, ist die Familie weltweit verzweigt.

Das Philanthropin als sicherer Ort

Lotte Seelig, die Mutter von Lois, wurde 1919 als einziges Kind von Dr. Max Seelig und Hermine Seelig geb. Grünebaum geboren. Der Vater von Max Seelig stammte aus einer ostpreußischen Kaufmannsfamilie, er war Juwelier und Uhrmacher; Hermine, Lottes Mutter, war aber in Frankfurt geboren.

Mithilfe ihres erhaltenen Stammbuchs können die Spuren ihrer Eltern Julius Grünebaum und Flora Schönthal Grünebaum bis in das Jahr 1748 zurückverfolgt werden. Die junge Familie lebte zunächst in der Günthersburgallee 55, wo sich auch die Großmutter Flora häufig aufhielt, der Großvater war bereits gestorben als Lotte auf die Welt kam.

Nach seinem Staatsexamen in Berlin war Max Seelig Diplomhandelslehrer (HHStAW 676 7359). Er promovierte am Frankfurter Senckenberg-Institut in Biologie und Zoologie. Von 1905 bis 1939 war er Lehrer am Philanthropin, wo er Mathematik, Biologie und Geographie unterrichtete. Zusätzlich bot er einen Kurs in Stenographie an.

Max Seelig war bei den Schülern und Schülerinnen beliebt, über seine Schultätigkeit hinaus war er sehr engagiert in der jüdischen Gemeinde. Dort lernte er seine Frau Hermine Grünebaum kennen, von der Familie auch „die schöne Mimi“ genannt, die vor der Ehe Volksschullehrerin war. Hermine war sehr sprachbegabt und unterrichtete später Englisch und Französisch, auch als Privatlehrerin.

Max und Hermine waren sehr gebildet, sie liebten Bücher und Musik. Als Lehrer waren sie zwar nicht reich, ihre Gehälter reichten jedoch für ein behagliches Auskommen. Während der NS-Zeit nahm die Familie Untermieter auf, um besser über die Runden zu kommen. Zeitweise war jedes Zimmer der Wohnung vermietet, denn vertriebene nordhessische Juden suchten in Frankfurt eine Unterkunft. Viele Untermieter waren Schüler des Philanthropin, da jüdische Jugendliche nur hier noch Abitur machen konnten. Die Schule hatte am Ende bis zu 1.200 Schüler und Schülerinnen. (Interview von Angelika Rieber mit Lotte Prager 1992)

1934 musste die Familie in eine Dreizimmerwohnung in der Holzhausenstraße 56 ziehen. Lotte erinnerte sich, dass alles voller Betten und Couchen war (Interview Rieber-Prager). An die Günthersburgallee, wo sie bisher gewohnt hatten, hat Lotte noch gute Erinnerungen. Der Bruder der Mutter, Ludwig Grünebaum, wohnte mit seiner Frau Martha und den Kindern Erwin und Gerda in der Nähe und man sah sich oft, sie konnten in den Günthersburgpark zum Spielen gehen und dort ihre Cousine Gerda und ihren Cousin Erwin treffen. Am Wochenende machte die Familie gerne einen Ausflug zum Wandern in den Taunus. Im Winter versuchten die Seeligs dort, mit alten Skiern zu fahren. Der Vater Max wurde als Eisstar bewundert, denn er war der beste Schlittschuhfahrer der Familie.

Beide Eltern gehörten zur jüdischen Reformgemeinde, deren Rabbiner die Eltern 1912 getraut hatte. Lotte erinnert sich gerne daran, wie der Rabbiner, Caesar Seligmann, in der Freitagabendstunde jüdische Volksmärchen erzählte, aber kurz vor dem Ende aufhörte, um so die Spannung bis zur nächsten Stunde aufrecht zu erhalten. Die Mutter brachte sie immer zur Religionsstunde in die Hauptsynagoge und warte auf sie, um sie sicher nach Hause zu bringen.

Doch zunehmend gingen die sozialen Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden zurück. Lotte berichtet, dass sie nur Kontakt zu den Kindern des Vermieters im Haus hatte, wo sie an Weihnachten mit deren aufgebauter Eisenbahn mitspielen durfte. (Interview Rieber-Prager 1992)

Sicher fühlte sich Lotte zu Hause und am Philanthropin. Sie war eine gute Schülerin und konnte 1937 noch mit dem Abitur abschließen. Lotte hatte viele Freundinnen an der Schule, mit einigen hatte sie sogar noch ein Leben lang Kontakt. Ihre Freundin, Marlies Lande, geb. Scheuer, bestätigte, dass Lotte eine ausgezeichnete Schülerin war (HHStAW 518 502 99). Die Schule war reformpädagogisch geprägt und die wunderbaren Aufführungen klassischer Stücke blieben Lotte unvergesslich. Begeistert war sie von Lesley Williams, dem Englischlehrer, der nach 1935 an die Schule kam, und das „Cambridge Certificate“ abnahm, was vielen bei der Flucht nach England nützlich war. Lesley Williams wurde ein Freund der Familie, der zum Essen kam und mit zum Wanden in den Taunus ging und der später der Familie bei der Flucht nach England helfen konnte. Mit ihm als Lehrer lernte Lotte sehr gut Englisch sprechen.

In der Oberstufe half Lotte öfter im Kindergarten der Schule aus, denn sie wollte herausfinden, ob sie sich als Lehrerin oder Erzieherin eignen würde. Sie verstand sich sehr gut mit Fanny Baer, der Erzieherin. Lotte und ihre Familie versuchten später vergeblich Fanny Baer zur Flucht nach England zu bewegen, aber diese lehnte ab, da sie ihre alten Eltern nicht zurücklassen wollte. Eltern und Tochter Baer wurden Opfer des Holocaust. (Interview Rieber-Prager 1992)

Eigentlich war es Lottes Traum in Frankfurt Psychologie zu studieren und Psychiaterin zu werden. Die Universität Frankfurt verweigerte ihr „aus rassischen Gründen“ die Immatrikulation, obwohl für Kinder von Kriegsteilnehmern des Ersten Weltkriegs Sonderregeln galten. Auch ihre zweite Bewerbung am Dolmetscherinstitut in Mannheim wurde aus den gleichen Gründen abgelehnt. Daraufhin versuchte sie vergeblich, sich an der Universität Zürich einzuschreiben. Da viele diesen Ausweg suchten, gelang es ihr nicht, einen Studienplatz im deutschsprachigen Raum zu finden. (HHStAW 518 50299)

Lotte nimmt ein Studium in England auf

1937 hatte Lotte Glück und konnte ihren Traum vom Studium doch noch verwirklichen, denn eine Freundin hatte sich in Brighton an einem College (Municipal Training College) für angehende Erzieherinnen und Lehrerinnen beworben, konnte aber den Platz nicht annehmen, weil sie noch nicht 18 war. Lotte, die bereits 18 war, war sofort bereit, einzuspringen und den Platz anzunehmen, nachdem die Studiengebühren für ein Jahr bezahlt werden konnten, was nicht einfach war. Freunde aus Südafrika, deren Sohn einmal bei ihnen gewohnt hatte, übernahmen die Studiengebühren für das erste Jahr und die Eltern zusammen mit der jüdischen Gemeinde in Berlin die Kosten für das zweite Jahr. (Zeitzeugengespräch von Lois Gilman mit Schülern der Albert-Einstein-Schule in Schwalbach/T. am 17.6.19)

Lotte hätte auch direkt nach Cincinnati in die USA emigrieren können, wo ihr Onkel Morris – Hermines 1886 geborener Bruder – seit 1903 lebte. Aber sie wollte als Einzelkind weder so weit weg von den Eltern sein, noch wollte sie Krankenschwester werden, was ihr Onkel vorgeschlagen hatte. Marlies Scheuer, deren Platz sie am College eingenommen hat, ist 1937 mit ihren Eltern direkt in die USA emigriert und hat so ebenfalls überlebt. Beide waren bis zu Lottes Tod befreundet.

Lotte studierte zwei Jahre am College in Brighton, in den unterrichtsfreien Zeiten arbeitete sie als Dienstmädchen für Kost und Logis, denn Geld durfte sie mit dem Studentenvisum nicht verdienen. Mit dem Abschluss als Infant School Teacher wurde sie danach von der Stadt für ein mageres Gehalt beschäftigt.

Die Verfolgung erreicht das Philanthropin

Die Situation der Eltern verschlimmerte sich derweil in Frankfurt. Im Oktober 1938 wurde dem Philanthropin der Status einer öffentlichen Schule entzogen, in den Novemberpogromen 1938 wurden viele der männlichen Lehrer des Philanthropin, so auch Max Seelig, verhaftet.

Zwei Monate lang wurde Max Seelig im Konzentrationslager Buchenwald festgehalten (HHStAW 518 59255). Lotte berichtet, dass er als kranker Mann zurückkam. Er war schwach, hatte viel abgenommen, vom langen Stehen in der Kälte waren ihm zwei Zehen abgestorben und er litt an einer Magen- und Darmerkrankung, die auch in den Nachkriegsjahren anhielt (HHStAW 676 7359). Die Gewalt, den Hunger und die Kälte habe er nur überlebt, weil er sich stundenlang Gedichte aufsagen konnte, um sich von den Schmerzen abzulenken. Nach seiner Entlassung aus Buchenwald bereitete die Familie sofort ihre Flucht aus Deutschland vor. Der Vater hatte schon ab 1935 begonnen, Teile seiner geliebten Bibliothek, auch unter den Nazis verbotene Bücher, zu verschenken. Der Englischlehrer verhalf Max und Hermine zu einem Visum für England, und so konnten sie noch 1939 nach England ausreisen, wo sie mit der Tochter in eine gemeinsame Wohnung in Brighton ziehen konnten.

Vor der Ausreise hatten sie viele Umzugskisten gepackt, um wenigstens einen Teil des Hausrats mitnehmen zu können. Die Nazibehörden verlangten ausführliche Listen der Gegenstände, die dann in ein Lager gebracht wurden, bevor sie nach England nachgeschickt werden sollten. Von den Behörden wurde jedoch behauptet, unter dem Hausrat sei ein Gemälde, dessen Kunstwert überprüft werden müsste. Man glaubte Max Seelig nicht, dass es eine Reproduktion war. Max Seelig musste von England aus einen Gutachter eines Kunsthauses beauftragen, der nachwies, dass das Bild eine Kopie war. Dennoch kamen die Umzugskisten nie in England an und nach dem Krieg hieß es, die Alliierten hätten das Lager bombardiert und alles sei verbrannt (HHStAW 518 5029). In Wirklichkeit wurde der Hausrat versteigert und die Familie Seelig ausgebürgert.

Die Familie Seelig verlässt Europa

Mittellos und ohne Arbeitserlaubnis wurden sie nun von den Engländern als enemy aliens angesehen, was sie veranlasste, ihre baldige Ausreise in die USA zu betrieben. Einreiseerlaubnisse, „Affidavits“, für die Emigration nach USA besaßen sie bereits, denn ein Teil der mütterlichen Familie war bereits Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA ausgewandert: Hermines Bruder Morris war Zahnarzt in Cincinnati, Ohio; Sali Grünebaum (nun Gruenebaum geschrieben), 1883 geboren, war kurz vor seinem Bruder Morris 1902 nach Cincinnati gekommen und lebte später in Oakland, California. Die Brüder konnten den Familien von Hermine Seelig und Ludwig Grünebaum, ebenso wie den Familien zweier weiterer Schwestern und eines weiteren Bruders die Reise in die USA ermöglichen. Schließlich kamen alle sieben Kinder von Julius und Flora Grünebaum in Sicherheit in den USA zusammen.

1940 reiste die Familie Seelig gemeinsam mit Lotte von Liverpool über Halifax nach Boston und mit dem Zug weiter nach Cincinnati, wo sie zunächst bei den Verwandten wohnen konnten. Die Flüchtlingsschiffe fuhren im Konvoy mit der britischen Marine, denn die Überfahrt war durch die Angriffe der Deutschen sehr gefährlich.

Lotte hilft anderen bei der Flucht nach England

Im zweiten Jahr ihres Studiums versuchte Lotte von England aus, Freunden bei der Flucht aus Deutschland zu helfen. Sie suchte Stellen als Dienstmädchen für junge jüdische Frauen und half bei der Betreuung und dem Empfang von jüdischen Kindern, die ohne Eltern und nicht mit den offiziellen Kindertransporten ankamen.

Die Kinder wurden in Empfang genommen und in Pflegefamilien gebracht. 1938 besuchte sie noch einmal die Eltern in Deutschland und versuchte dort, alte Freunde zur Flucht zu bewegen und ihnen über ihre Kontakte in England zu helfen. Zusammen mit ihrer englischen Geschichtslehrerin hat sie noch 1939 zwei elternlose Kinder aus Wien gerettet und in Pflegefamilien untergebracht. Einige ihrer damaligen Lehrer am College hatten Kontakte zu einflussreichen Personen und konnten dabei helfen, weitere Juden aus Deutschland zu retten, erzählte Lotte im Interview. (Interview Rieber-Prager 1992)

Ankunft der Familie Seelig in Cincinnati, dem neuen Zuhause

Für die Eltern war der Neuanfang in Cincinnati schwierig, denn Max Seelig war bereits 55 Jahre alt und musste beruflich ganz neu anfangen. Aber er war gut vorbereitet, denn er sprach Englisch und kannte sich mit Buchhaltung aus. Über die amerikanisch-jüdische Gemeinde fand er eine Stelle als Buchprüfer, später machte er sich als Buchhalter selbständig und konnte ein kleines Geschäft aufbauen.

Für Lotte war die Zeit in England und die Anfangsjahre in den USA ein großes Abenteuer. Sie sprach mittlerweile sehr gut Englisch, ihre zweijährige Ausbildung wurde in den USA zwar anerkannt, war aber kein vollwertiger Abschluss. Nach einigen Aushilfsjobs, z. B. als Ferienbetreuerin in einem Sommerlager für Kinder, gelang es ihr 1941, eine Reihe von Kursen an der Universität von Cincinnati zu belegen und 1942 mit dem Bachelor of Science abzuschließen. Da Lotte zunächst keine amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, konnte sie nur an Privatschulen unterrichten. Von 1943 bis 1944 arbeitete sie an der Poughkeepsie Day School in der Nähe von New York und war froh, endlich ein eigenes, unabhängiges Leben beginnen zu können. Hier musste sie erleben, dass auch reiche Kinder mit vielen Problemen belastet waren und ihr großes Interesse an Psychologie wurde wiederbelebt, sodass sie beschloss, weiter zu studieren.

Endlich, im Juni 1944, nach vielen Jahren des Wartens, konnte sie am Smith College School for Social Work ihr Studium fortsetzen und 1945 mit dem Master of Science abschließen (HHStAW 518 50299). Danach fand sie eine Stelle als Sozialarbeiterin in Chicago, wo sie später auch ihren Ehemann Norbert Prager kennenlernte und 1946 heiratete. 1948 wurde die erste Tochter Lois in Cincinnati geboren.

New York, die neue Heimat

Nach mehreren Umzügen zogen die Pragers schließlich in die Nähe nach New York, weil sie näher an Norberts Familie leben wollten. Hier wurde 1952 das zweite Kind, Susan, geboren. Auch als Mutter war Lotte weiterhin erwerbstätig; sie half, den Lebensunterhalt der jungen Familie zu sichern, bis Norberts Unternehmen erfolgreich angelaufen war. Leider starb ihr Mann bereits mit 49 Jahren bei einem Autounfall und Lotte war nun alleinerziehende Mutter. 22 Jahre lang arbeitete sie im Büro der städtischen Kinderhilfe und Kinderberatung in der Bronx, New York, in einem Team von Betreuern und Psychologen, des Weiteren als Schulsozialarbeiterin in mehreren Schulen. Lotte Prager lebte bis zu ihrem Lebensende in New York, wo sie viele Freunde und Bekannte hatte. (Interview Rieber-Prager 1992)

Ihre Töchter Lois Gilman und Susan McCarthy leben heute ebenfalls in New York. Lois ist mit Ernest Gilman, der Englischprofessor an der New York University ist, verheiratet, sie haben einen Sohn und eine Tochter; Susan hat zwei Söhne.

Lois und Ernest haben beide während des Besuchsprograms in Frankfurt an getrennten Zeitzeugengesprächen in Schulen teilgenommen. Lois erzählte in der Schule, dass sie nie Deutsch sprechen lernte, denn ihre Mutter sprach zu Hause nur Englisch, von Deutschland wurde nie gesprochen und ihre Mutter behauptete, auch in Englisch zu träumen. Dagegen haben die Großeltern miteinander Deutsch gesprochen, wollten aber nicht über Deutschland und ihre Vertreibung sprechen. Lotte wollte von Deutschland nichts mehr wissen und hat erst spät, 1992, die Einladung der Stadt Frankfurt angenommen und Deutschland zum ersten Mal wieder besucht. Die Mutter wollte Deutschland vergessen und hinter sich lassen. Bei ihrem Besuch 1992 in Frankfurt traf Lotte ihre Freundin Marthel Sommer, verheiratete Hirsch, wieder, die sie aus den Augen verloren hatte. Die beiden nahmen wieder Kontakt auf und sprachen miteinander Deutsch. Marthel Hirschs Sohn David Hirsch und Lotte Pragers Tochter Lois trafen sich ebenso wie seinerzeit ihre Mütter beim Besuchsprogramm der Stadt 2019.

Lois berichtete im Zeitzeugengespräch, dass sie ihrer Mutter erst Fragen stellen konnte, als sie älter war und sich mit der Vergangenheit zu befassen begann. Um so viel wie möglich über die Geschichte ihrer Mutter zu erfahren, kontaktierte sie nach deren Tod auch Menschen, mit denen ihre Mutter über die Jahre hinweg Interviews über ihr Leben geführt hatte. (Zeitzeugengespräch mit am 17.6.2019)

Lois wurde Journalistin, die im TIME Magazine und anderen bekannten Medien veröffentlicht hat, und nun auch ihre Familiengeschichte erforscht. Es gibt viele Verwandte aus der Gruenebaum-Familie in Kalifornien, wie das Foto unten mit Lois und anderen Nachkommen der Familie zeigt. Weitere Verwandte der Familien Gruenebaum, Schoenthal und Seelig, die Frankfurt verlassen mussten und zu denen Lois Kontakt hält, leben über die USA verstreut.