Wenige Tage später, am 26. September 1942, meldete die Stadtsparkasse der „Devisenstelle“ den „Ausgleich“ des „Sicherungskontos“:
„Aufgrund Ihrer mit Rundschreiben vom 29.8.42 bekanntgegebenen Allgemeinen Genehmigung überweisen wir das RM 800.- ausmachende Restguthaben des Sicherungskontos Nr. 11317 der Jüdin Johanna Sara Sommer, Wwe., Ffm, Sandweg 32 (laut uns vorliegendem, mit staatspolizeilichem Vermerk versehenen Auftrag der Vorgenannten) auf das Sonderkonto H 306180 der Jüdischen Kultusvereinigung Jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main E.V. bei der Deutschen Bank in Frankfurt a.M., Depositenkasse Zeil. Das Sicherungskonto ist hiermit ausgeglichen.“
Was wie ein rechtmäßiger Vorgang erscheint, ist in Wahrheit die systematische Beraubung der Deportierten, an der nicht nur die „Devisenstelle“ beteiligt war, sondern durch die Unterstützung der Sparkassen und Banken erst ermöglicht wurde.
(Zur Rolle der Frankfurter Sparkassen während der NS-Zeit siehe den Beitrag von Prof. Dr. Ralf Roth)
Vom Ghetto Theresienstadt aus wurde Johanna Sommer am 16. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihr Schicksal ist unbekannt. Möglicherweise wurde sie sofort nach Ankunft in Auschwitz ermordet. Ihre Schwägerin Lina Sommer starb acht Monate nach der Deportation, am 24. Mai 1943, in Theresienstadt.
Scheidungsdruck
Vier Schwestern von Johanna Sommer Frieda, Jenny, Rosa und Selma) lebten in sogenannter „Mischehe“, zwei von ihnen hatten christliche Gastwirte geheiratet: Selma und Rosa. Die Schwestern mussten während der NS-Zeit zahlreiche Diskriminierungen und Erniedrigungen erleben. Drei von ihnen überlebten die NS-Zeit. Einerseits spielte dabei eine Rolle, dass in ihren Wohnorten keine ähnlich radikale Politik gegenüber den jüdischen „Mischehepartnern“ herrschte wie im Gau Frankfurt am Main. Zum anderen hielten ihre Ehemänner dem Scheidungsdruck, dem sie ausgesetzt waren, stand. Dennoch drohte ihnen im Januar/Februar 1945 der „Arbeitseinsatz“ in Theresienstadt. Vor diesem „Arbeitseinsatz“ meldete sie sich krank, mit Erfolg. „Die G. wurde gem. Erl. d. RSHA vom 19.1.45 nicht zum geschlossenen Arbeitseinsatz gebracht, weil sie nach amtsärztlichen Gutachten nicht arbeitsfähig ist“, so die knappe Meldung auf der Gestapo-Karteikarte. Ihre Schwestern konnten ebenfalls den Abtransport durch Krankmeldungen verhindern.
Heimlich hat er sich nachts ins Haus seiner Frau geschlichen
Dagegen gelang es der Schwester Rosa nicht, die NS-Zeit zu überleben. Sie hatte 1920 den Gastwirt Bernhard Thörner geheiratet und lebte mit ihm in Osnabrück. Bernhard Thoerner war katholisch, seine Frau anfangs Mitglied der Synagogengemeinde. Später ließ sich Rosa taufen und änderte ihren Namen in Hilde.
Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wirkte sich massiv auf das Leben des Ehepaars aus. In der Gaststätte von Bernhard Thörner ging die örtliche Nazi-Prominenz ein und aus und setzte den Gastwirt massiv unter Druck. „Judenhure“ wurde die Großmutter laut Zeitzeugenaussagen genannt. Um seine Existenz und das Leben seines Sohnes zu retten, ließ sich Bernhard Thörner zwar scheiden, sorgte jedoch weiter für seine Frau. Heimlich habe er sich nachts ins Haus seiner Frau geschlichen, um sie möglichst unbemerkt besuchen zu können, erfuhr der Enkel von Zeitzeugen.