KURZBIOGRAPHIE

Name:
Ron Sommers

Teilnahme am Besuchsprogramm: 2012
Teilnahme des Vaters Walter: 1992
Teilnahme der Schwester Nancy: 2013

Vater:
Walter Sommer, heute Sommers, geb. 1920 in Frankfurt
besuchte Schulen in Frankfurt: Philantropin und Musterschule
2016: Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz (Bericht)

Großvater:
Julius Sommer stammte aus Heinebach in Nordhessen
Zusammen mit Alfred Mayer Besitzer der Ladenkette Wittwe Hassan

Wohnadressen in Frankfurt:
Loenstraße und Finkenhofstraße

1938 Verhaftung von Julius Sommer im Zuge des Novemberpogroms
1939 nach Freilassung aus Buchenwald Emigration der Familie in die USA


Quellen:
Gespräche und Korrespondenz mit Walter und Louise Sommers,Nancy Sommers und Ron Sommers
Historische Fotos: Familie Sommers
Fotos von Besuchen in Deutschland: Angelika Rieber

Veröffentlichungen über die Familie Sommer:

  • Kössler/Gürsching/Rieber: …dass wir nicht erwünscht waren. Novemberpogrom 1938 in Frankfurt am Main. Berichte und Dokumente, Kapitel: Martha Hirsch, Frankfurt 1993
  • Martha und Erwin Hirsch: “… dass wir nicht erwünscht waren”, Videoportrait in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Landesbildstelle Hessen und dem Fritz-Bauer-Institut, Frankfurt 1994 (Signatur DVD: 4671687)
    Als Online-Video: Signatur 4959951
  • Schulwettbewerb: Sie wohnten nebenan… Juden in Frankfurt. Dokumentation der Teilnehmerbeiträge; Hrsg.: Fritz-Bauer-Institut und Hessisches Institut für Lehrerfortbildung, Fuldatal 1996
  • Angelika Rieber: „Letzte Nachrichten“, Teilabdruck eines Vortrages in der Frankfurter Rundschau vom 27. Januar 1998 anlässlich des Gedenktages zur Befreiung von Auschwitz
  • Ostend – Blick in ein jüdisches Viertel, Kapitel S. 153ff, Hrsg.: Jüdisches Museum, Frankfurt 2000
  • Angelika Rieber: Wir bleiben hier. Lebenswege Oberurseler Familien jüdischer Herkunft, Kapitel Wittwe Hassan/Familie Sommer/‘Familie Mayer, Frankfurt 2004
  • Angelika Rieber: „Aber mein Selbstbewusstsein habe ich nicht verloren“. Jüdische Kindheit und Jugend – Lebenserinnerungen als Zugang , die Vergangenheit und sich selbst besser zu verstehen; in: Jüdische Kindheit und Jugend, Hrs. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart 2012
  • Die Sommers – eine Familie aus Frankfurt. Erinnerung und Begegnung, in: Informationen 78, November 2013, Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945, Frankfurt

Texte:
Angelika Rieber und Hans-Peter Klein

Ron Sommers

They were proud Germans

von Angelika Rieber

Ron Sommers ist nicht der erste Besucher der Familie in der früheren Heimat seiner Vorfahren. Sein Vater Walter, seine Tante Martha Hirsch und sein Onkel Max Sommers waren 20 Jahre zuvor Gäste der Stadt gewesen. Die Familien stammten ursprünglich aus Nordhessen und zogen um die Jahrhundertwende nach Frankfurt. Dort wurde Walter Sommers 1920 in eine bürgerliche Familie geboren, der die prosperierend Ladenkette Wittwe Hassan gehörte.

Anfang 1939, nach der Freilassung des Vaters aus Buchenwald, gelang es der Familie von Walter Sommer in die USA zu fliehen. Dort änderte er seinen Namen in Sommers. Der alten Heimat kehrte er den Rücken. 1992 nahm Walter Sommers mit seiner Frau Louise am Besuchsprogramm der Stadt Frankfurt teil. Seither hält er in seiner jetzigen Heimat Vorträge über den Holocaust und seine persönlichen Erfahrungen. Seine beiden Kinder Ron und Nancy folgten der Einladung der Stadt 2012 und 2013.

Ron Sommers auf den Spuren seiner Vorfahren in Frankfurt und im Taunus

Die Drähte liefen heiß, als Ron die ersehnte Einladung der Stadt erhalten hatte. Sein Vater Walter Sommers sprach mehrfach an diesem Tag mit Ron und gab ihm Empfehlungen, was es alles zu sehen oder zu erkunden gäbe: die Musterschule, die Walter einst besucht hat, die Wohnungen in der Loenstraße und der Finkenhofstraße, der Hauptsitz der Wittwe-Hassan-Ladenkette in der Hanauer Landstraße, die der Großvater aufgebaut hatte, etc.

Und mir gab Walter auf den Weg, Ron darum zu bitten, die Wanderschuhe mitzunehmen, damit wir im Taunus wandern können, dort, wo die Familie oft am Wochenende hinfuhr, um zum Fuchstanz oder zum Feldberg zu laufen.

Glücklicherweise kamen Ron und seine Frau schon zwei Tage früher nach Frankfurt. Sonst wäre es uns schwer gefallen, die vielen Aktivitäten in das auf eine Woche verkürzte Besuchsprogramm zu pressen.

Walter Sommers, ebenso wie seine Cousine Martha Hirsch, geborene Sommer, waren 20 Jahre vorher Gäste der Stadt gewesen. Seither verbinden mich mit den Sommers Besuche von Familienmitgliedern in Deutschland und umgekehrt Besuche meinerseits in den USA. Ron Sommers war das erste Mal in Frankfurt. So fiel mir die Rolle zu, ihn zu den mit der Familie verbundenen Orten zu begleiten.

Da ich ihn vorher nur einmal kurz bei der Bat-Mizwa seiner Nichte Alex gesehen hatte, war ich sehr gespannt, was Ron motiviert hatte zu kommen und welche Bedeutung dieser Besuch für ihn haben würde.

„Wir bleiben hier!“

„Warum bin ich hier?“, fragte Ron die Schülerinnen und Schüler bei seinem Besuch in der Musterschule. Er ist hier, auf Einladung der Stadt, weil seine Familie fest in Deutschland und in Frankfurt verwurzelt war. Die Familien stammten ursprünglich aus Nordhessen und zogen um die Jahrhundertwende nach Frankfurt. Dort wurde Walter Sommers 1920 geboren in eine bürgerliche Familie mit einer prosperierenden Ladenkette. In und um Frankfurt gab es 34 Wittwe-Hassan-Geschäfte. Dort gab es Kaffee, Schokolade und andere Feinkostprodukte. An die Zeit vor 1933 hat Walter Sommers nur gute Erinnerungen.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten veränderte sich die Situation allmählich. Während Julius Sommer am 1. Mai 1933 noch mit seinem Wagen an der Maiparade teilnahm, war für seinen Sohn Walter der Ausschluss aus dem Sportverein der erste tiefe Einschnitt in seinem Leben.

1936 musste er dann die Musterschule verlassen, die Schule, über die er heute noch mit Respekt und Hochachtung spricht.

Über eine mögliche Emigration dachte die Familie zwar nach, aber zögerte. Man fühlte sich zunächst deutsch, dann jüdisch, wie Ron Sommers in seiner Abschlussrede im Frankfurter Römer betonte. Auch der Besuch einer Familiendelegation in den USA 1936 führte nach ihrer Rückkehr zu der Schlussfolgerung „Wir bleiben hier!“, eine Fehlentscheidung, die viele Familienmitglieder mit dem Leben bezahlen mussten. Walter begann eine Lehre in Hamburg. Dort erfuhr er von der Verhaftung seines Vaters im November 1938. Mehrere Wochen war Julius Sommer in Buchenwald inhaftiert.

Danach war er ein gebrochener Mann. Jetzt gab es kein Zögern mehr. Die Familie bereitete die Auswanderung vor. Im Januar 1939 verließen Julius und Helen Sommer und ihre Kinder Walter und Lore Deutschland. Die Vereinigten Staaten wurden die neue Heimat der Familie. Walter zog für die USA in den Krieg im Pazifik und änderte seinen Namen in Sommers. Der alten Heimat kehrte er den Rücken und wurde patriotischer Amerikaner. Die Familie zog in den Mittleren Westen, wo Ron und seine Schwester Nancy aufwuchsen. Deutsch wurde nicht gesprochen, überhaupt herrschte Schweigen über Deutschland. Erst in der Schule wurde Ron mit dem Holocaust konfrontiert. Trotzdem war die deutsche Herkunft der Familie präsent, z.B. durch den Stuwwelpeter, mit dem die Kinder aufwuchsen, wie sich Ron und Nancy erinnern.

1970 besuchten Walter und Louise Sommers das erste Mal wieder Deutschland, um die Gräber der Vorfahren aufzusuchen. Einen Tag lang war Walter in Frankfurt. Beklommen fühlte er sich. Ich habe mich nicht sonderlich wohl gefühlt. Für mich war es leichter, nach München zu gehen, als hier in Frankfurt zu sein.“ (Interview 1992) Zwanzig Jahre später besuchte das Ehepaar wieder Frankfurt, dieses Mal auf Einladung der Stadt.

Walter besuchte die Musterschule und sprach mit Schülerinnen und Schülern. Die Einladung der Stadt und die Möglichkeit, jungen Menschen seine Lebensgeschichte zu schildern, veränderte Walter Sommers Haltung gegenüber seiner alten Heimat. Er begann, sich intensiver mit dem Holocaust zu beschäftigen, hält seitdem Vorträge in Schulen und dem kleinen Holocaust-Museum in seiner Heimatstadt Terre Haute, und regte einen Schulwettbewerb in Frankfurt mit dem Titel „Sie wohnten nebenan … Juden in Frankfurt“ an. „Es wird für mich eine große Befriedigung sein, und das Andenken meiner Eltern würde geehrt, wenn junge deutsche Schüler sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was mit ihren Nachbarn geschah, die zufällig jüdischen Glaubens waren, und deren Unglück es war, Opfer der Nazi-Verfolgung zu werden.“ (Brief Walter Sommers vom 4.4.1994)
Die Ergebnisse dieses Wettbewerbs wurden in einer Ausstellung und einer Dokumentation zusammengefasst. Heute würde sein Vater strahlende Augen bekommen, wenn er von Frankfurt erzählt, berichtet Ron den Schülerinnen und Schülern in der Musterschule.

Spuren suchen

Was war das wichtigste Ereignis während seines Aufenthalts in Frankfurt? Ron muss lange nachdenken. Es fällt ihm schwer, sich zu entscheiden. Vielleicht die Gräber seiner Urgroßeltern Moses und Bertha Sommer auf dem jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße. Es sind die letzten Gräber der einst in Deutschland so fest verwurzelten Familie. Die beiden Gräber waren kaum noch zu sehen. Der letzte Besuch eines Angehörigen fand in den 90er Jahren statt. Eine dünne Moosschicht hatte sich auf die Steine gesetzt, die erst mühevoll beseitigt werden musste.

Vielleicht auch der Gedanke an die Kuh in der Loenstraße. Ron ist aufgewachsen mit der Erzählung, die Familie habe sich in der Weltwirtschaftskrise eine Kuh angeschafft, die im Garten in der Loenstraße graste und Milch gab. Staunend stehen Ron und seine Frau vor dem früheren Hauptsitz der Firma Wittwe Hassan in der Hanauer Landstraße und an der Stelle, an der es einst eine Filiale der Ladenkette in Oberursel gab. Bewegt hat ihn auch die Wanderung durch den Taunus, auf den Spuren seines Vaters, und der Besuch der Musterschule, der ihm von seinem Vater ebenso wie die Taunuswanderung von der Hohemark zum Fuchstanz besonders ans Herz gelegt wurde.

Auch die Stolpersteine für einen Bruder seines Großvaters, für Salomon und seine Frau Betty Sommer, in der Schleidenstraße, initiiert von heutigen Bewohnern des Hauses, und das Gespräch mit ihnen, haben einen tiefen Eindruck bei dem Texaner hinterlassen.

Eine Woche nach dem Besuchsprogramm zog es Ron noch nach Heinebach in Nordhessen, dem Geburtsort seines Großvaters. Sein Vater Walter erzählte, er sei nur einmal als Kind in Heinebach gewesen. In den 30er Jahren hinderte sie der offene Antisemitismus in dieser Region an einem Besuch des Geburtsortes der väterlichen Familie.

Begleitet von Hans-Peter Klein und anderen Lokalforschern suchte Ron die Stätten seiner väterlichen Familie auf, das Haus, in dem die Geschwister Sommer aufwuchsen und den jüdischen Friedhof, auf dem zahlreiche seiner Vorfahren beerdigt sind. Stolz ist Ron darauf, dass er als erstes Familienmitglied den Spuren seiner Familie in Nordhessen nachgeht.

Eindrücke – Erfahrungen

Was bedeutete der Besuch in Deutschland für Ron Sommers und seine Frau Charles Mary Kubricht. Beide waren nicht das erste Mal in Deutschland. Schließlich ist ihr Sohn Professor für deutsche Literatur, heute in Princeton, und hat auch einige Zeit in Berlin studiert. Walter Sommers hatte mir immer mit Stolz von seinem Enkelsohn berichtet, der Deutsch lernte, sprach und nun auch lehrt. Die Erinnerung an die deutsche Herkunft verliert für die Familien der Emigranten, wie man daran sieht, nicht völlig an Bedeutung, sondern geht eigene Wege, oft z.B., indem eine Generation übersprungen wird und die nächste die Erinnerung an die Vergangeheit wieder aufleben lässt. Seinem Vater ist Ron durch den Besuch in Frankfurt näher gekommen. Er könne ihn jetzt besser verstehen, nachdem er sich vor Ort mit der Geschichte seiner Familie intensiver beschäftigt hat. Zum ersten Mal könne er sich vorstellen, in Deutschland zu leben, sagt Ron zu seiner Frau, selbst verwundert über die Veränderungen, die in ihm vorgehen. Ihm sei bewusst geworden, wie stark er durch die deutsche Herkunft seiner Familie geprägt sei. Vertrauen habe er gewonnen, sagt er in seiner Abschlussrede im Frankfurter Römer, vor allem dank der Menschen, die ihn während seines Besuches begleitet haben.

Schweigen ist auch eine Aussage

Auch in dem Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern haben sich Gegenwart und Vergangenheit miteinander verbunden. Viele der Fragen der Jugendlichen beschäftigen sich damit, wie die Eltern und Großeltern mit ihren traumatischen Erfahrungen lebten, wie Ron aufgewachsen sei, welches Verhältnis er zu Deutschland und zur Jugend heute habe, was Religion für ihn bedeute und ob er selbst schon Erfahrungen mit diskriminierenden Äußerungen gemacht habe. Ron Sommers berichtete ihnen, er sei erst in der Schule mit dem Holocaust konfrontiert worden. Erst nach dem Besuch des Vaters in Frankfurt habe sich sein Vater geöffnet und von seinen Erfahrungen in Deutschland gesprochen. Um Wunden zu heilen, brauche man Zeit. Die Schülerinnen und Schüler fragen auch danach, wie die Erfahrungen seiner Familie sein Denken beeinflusst haben. Ron antwortet ihnen, er sei Rechtsanwalt geworden, weil er Rechtssicherheit für ein hohes Gut halte. Genau diese Sicherheit hatten seine Vorfahren verloren, waren ausgeliefert und rechtlos. Sein Beruf gebe ihm die Möglichkeit, seine Familie, sich selbst und andere zu schützen.

Ob er religiös sei, wird Ron Sommers gefragt.

Beeindruckt sind die Schülerinnen und Schüler von seiner offenen Haltung zur Religion und seiner Aussage, die Religionen hätten versagt und würden eher zur Entfremdung beitragen denn dazu, Menschen miteinander zu verbinden.

Wie haben die Schülerinnen und Schüler auf das Gespräch reagiert? Vor dem Gespräch waren sie durchaus skeptisch, wie „ertragreich“ ein Gespräch mit dem Kind eines Zeitzeugen des 3. Reichs werden würde, berichtet die Lehrerin, Kathrin Guttmann. Doch die Bedenken erwiesen sich als völlig unnötig, denn Ron konnte nicht nur von den Erlebnissen seiner Eltern berichten, sondern auch seine Einstellungen zur Geschichte und zu Fragen der Gegenwart zum Ausdruck bringen.

„Im Nachhinein waren aber wirklich alle meine Schüler begeistert von dem Gespräch. Sie haben verstanden, dass Schweigen über die Zeit auch eine Aussage ist. Sie fanden Ron Sommers persönlich sehr interessant und waren von seiner Einstellung zum Leben begeistert. Die Erinnerungen an die Nazi-Zeit sind während des Gesprächs immer mehr in den Hintergrund gerückt.“ In den Vordergrund rückten Fragen nach dem Umgang mit Antisemitismus oder Fragen des Zusammenlebens verschiedener Kulturen, nach Respekt, Toleranz und Courage, gemeinsame Fragen, mit denen sich alle an dem Gespräch beteiligten Personen beschäftigen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Position.


von Hans-Peter-Klein

Ron Sommers auf den Spuren seiner Vorfahren in Nordhessen

Während ihres Besuches in Frankfurt im Juni 2012 kamen Ron Sommers und seine Frau Charles Mary Kubricht auch nach Nordhessen. Neben Besuchen auf der Documenta 13 in Kassel – Charles Mary Kubricht arbeitet als Künstlerin – ging es Ron Sommers vor allem darum, die Orte kennen zu lernen, an denen seine Vorfahren gelebt haben. Es war seine erste Reise in die nordhessische Provinz.

Es geschieht öfter, dass Besucher, die im Rahmen des Besuchsprogramms nach Frankfurt eingeladen werden, nicht aus Frankfurt selbst stammen, sondern aus einer der vielen kleinen jüdischen Landgemeinden, in denen Familien jüdischen Glaubens über Jahrhunderte gelebt haben. In Zusammenarbeit mit Initiativen und Regionalforschern wurden in den letzten Jahren zahlreiche Besuche in diesen Herkunftsorten organisiert und durchgeführt. Dazu bieten die Recherchen und Dokumentationen, die in den letzten Jahrzehnten in vielen Orten, in denen es jüdische Gemeinden gab, entstanden sind, aber auch regionale und lokale Museen, Geschichtswerkstätten und Gedenkstätten die Basis und die Möglichkeit, den Gästen Dokumente und Orte ihrer Vorfahren zu zeigen, aber auch von den Besuchern Informationen und Berichte aus dem Alltagsleben der jüdischen Familien und Gemeinden zu bekommen.

Die Vorfahren von Ron Sommers, so nannte sich die Familie in den USA, lebten seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Heinebach, einem Dorf ca. 40 km südöstlich von Kassel im Fuldatal, heute Ortsteil der Gemeinde Alheim im Kreis Hersfeld-Rotenburg (www.heinebach.de/geschichte/Juden.htm). Die jüdische Gemeinde besaß eine eigene Synagoge mit Schule und Mikwe, die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof in Binsförth, dem ältesten Sammelfriedhof in Nordhessen, beerdigt. Die Männer arbeiteten zumeist als Viehhändler, der Urgroßvater von Ron Sommers, Moses Sommer, war Metzger. Moses, sein Bruder und ein Onkel nahmen an dem Krieg 1870/71 teil. Interessant ist, dass die Familie Sommer seit Mitte des 18. Jahrhunderts Haus und Hof besaß, in dem sie seit fünf Generationen lebte und arbeitete, bis Ron Sommers Großvater Julius Sommer Anfang des 20. Jahrhunderts nach Frankfurt am Main zog und dort 1912 das Kaffeegeschäft der „Wittwe Hassan“ übernahm (www.juden-in-nordhessen.co.de) Genealogien jüdischer Familien – Sommer aus Heinebach.

Unsere Spurensuche begann zunächst in Rotenburg an der Fulda im Jüdischen Museum in der ehemaligen Mikwe (www.Mikwe.hassia-judaica.de). Bei den Restaurierungsarbeiten Anfang dieses Jahrhunderts fand man neben der Mikwe aus dem 19. Jahrhundert bisher unbekannte Überreste einer früheren Mikwe aus dem 17. Jahrhundert. Daneben besitzt das Museum, das von Dr. Heinrich Nuhn geleitet wird, umfangreiche Dokumente über jüdisches Leben sowie Biographien jüdischer Familien aus der Region Hersfeld-Rotenburg, so auch aus Heinebach und von der Familie Sommer. Für Ron Sommers war dieses Museum ein beeindruckendes Beispiel von geschichtskultureller Erinnerungsarbeit, in dem er einiges über seine Vorfahren herausfinden konnte und ein umfassendes Bild jüdischen Lebens in Nordhessen erhielt.

Durch das Fuldatal fuhren wir nach Heinebach, wo uns im Pfarrhaus Frau Sabine Häde und Herr Wilhelm Södler erwarteten. Auf dem Tisch im Wohnzimmer waren zahlreiche Dokumente, Genealogien und Fotos ausgebreitet, über die wir schnell in einen interessanten Erfahrungsaustausch kamen, aus dem Ron Sommers viele Namen und Ereignisse über seine Vorfahren mitnehmen konnte. Unsere Gastgeber haben sich intensiv mit der Geschichte ihres Ortes und insbesondere mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde und der jüdischen Familien beschäftigt. Frau Häde hatte ihre Staatsexamensarbeit darüber geschrieben. Herr Södler, Lehrer im Ruhestand, hat über viele Jahrzehnte die Geschichte der Gemeinde Heinebach recherchiert und dokumentiert. Bei dem anschließenden Rundgang durch das Dorf sah Ron Sommers Haus und Hof (Im Hof 9), in dem die Familie Sommer über mehrere Jahrhunderte gelebt und gearbeitet hat und das Synagogengebäude, dessen Inventar im November 1938 zerstört wurde. Das Fachwerkhaus selbst, in dem sich auch Schule und Mikwe befanden, blieb erhalten, ist jedoch heute in einem sehr schlechten baulichen Zustand.

Ron Sommers zeigte sich beeindruckt von dem Engagement, mit dem Frau Häde und Herr Södler die Geschichte der jüdischen Familien recherchiert und aufgearbeitet haben, und lobte den Beitrag, den sie damit zur Erinnerung an die jüdische Geschichte in ihrem Ort geleistet haben.

Die letzte Station unserer Reise war der jüdische Friedhof von Binsförth. Er ist der älteste jüdische Friedhof in Nordhessen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und liegt außerhalb des Ortes an einem Hang oberhalb der Fulda. Der Friedhof umfasst 256 Grabsteine, die von der Kommission für Geschichte der Juden in Hessen dokumentiert wurden und im Internet zugänglich sind (www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/juf).

Mit Hilfe eines Lageplanes, den uns Frau Häde zur Verfügung stellte, fanden wir die Gräber der drei direkten Vorfahren von Ron Sommers, die hier begraben sind. Es handelt sich dabei um den Urururgroßvater Joseph Sommer und die Ururgroßeltern Itzig Sommer und Marianne Sommer, geb. Abt. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Grabsteine auf den jüdischen Friedhöfen in Hessen restauriert und weitgehend wieder aufgestellt. Seit dieser Zeit befinden sich die Friedhöfe in einem akzeptablen Zustand und stellen einen weiteren wichtigen Ort für Besucher auf der Spurensuche nach ihren Vorfahren dar. Diesen positiven Eindruck und die Erfahrung, dass auch hier nachhaltige Erinnerungsarbeit geleistet wird, nahm Ron Sommers von dem Besuch der Gräber seiner Vorfahren mit.

My roots are here in Frankfurt and I have a positive feeling about that

Rede von Ron Sommers beim Abschlussempfang im Frankfurter Römer

Good evening!

My name is Ron Sommers. I was asked to make a few comments by Mr. Alex. These are my own personal comments and not the comments of the group of invitees.

I am a descendant of a former resident of Frankfurt. My father, who was born in 1920 left Germany in January 1939 after Kristallnacht. My father and his family had strong roots in the Frankfurt community. My grandfather built a thriving business in Frankfurt and the surrounding areas of Frankfurt. Frankfurt was their home. They were proud Germans. They were Germans first and Jewish second. With all of the problems that occurred in Germany in 1933 and thereafter, my family was fortunate in finding a new home in the United States.

I want to thank the city of Frankfurt and thank all the other German people involved with the program, who have done so many things to make this visit to Frankfurt a very memorable and meaningful experience. Until this week I really did not understand and appreciate the silent anger, that was a part of our family that I as a son of a German Jewish descendant had to deal with growing up in the States. Fortunately, this silent anger is something, that my father was able to use and put into perspective. As an invitee of this city my father returned to Frankfurt in the 1990’s and had, in my opinion, a transformation. His experience in Frankfurt helped him become somewhat of a scholar on the Holocaust. After his Frankfurt experience he began reading about the Holocaust, became a docent at a Holocaust Museum, and as a result, his life had more meaning and also he became a good role-model for me.

How does this relate to my one week experience in Frankfurt? I came to Frankfurt open minded. I came here, thinking, that I might discover something. What I have discovered is, that my roots are here in Frankfurt and I have a positive feeling about that.

I feel very comfortable, being here in Frankfurt and, thanks to Angelika Rieber, I have to say I trust my feelings and that is big for me. I trust what I have seen and more importantly what I feel about the experience that I have had here. It is people like Angelika Rieber and the organizers for the city that have assisted in making many meaningful, provocative, profound moments for all of us. I mentioned to our group of invitees at our first get-together, that, when my father and my mother – my mother is also from Germany, when they came to the United States they literally turned their backs on Germany. I was raised in the Midwest in the United States. Although my parents, my grandparents, and my ancestors came from Germany, there was really no German spoken in our house. There might have been a silent German, but there was no spoken German in our house. I am an assimilated German Jew. That`s who I am. I don’t speak German and I did not learn German. As I mentioned to our group of invitees in our initial get-together, our son is a German literature and Slavic professor at Princeton. He has full command of the German language and German literature. So German skipped a generation with me. Our other son is very proud of his grandfather and his grandmother and he is videographing their lives.

So family means something significant to us, and this visit to Frankfurt is the kind of experience as a descendant that is meaningful for me, because it helped me to establish an identity, maybe an identity, that I really didn`t fully appreciate until I came here.

So thank you for everything you are doing. This is a very positive programme, and I hope, the city of Frankfurt continues with it.

Thank you