Familie Liver ist ein Beispiel für die kulturelle Vielfalt Israels, die in familiärer Harmonie miteinander gelebt wird: Miriam selbst hat einen deutschen Hintergrund, ihr Ehemann einen polnischen, ihre drei Söhne, die alle verheiratet sind und Kinder haben, sind „Sabres“, also in Israel geboren. Die Ehefrauen der Söhne kommen aus Familien, die einen jemenitischen, marokkanischen und iranischen Hintergrund haben.
Alle direkten Familienmitglieder von Miriam Liver haben den Holocaust überlebt. Die frühere Frankfurterin betonte, dass nur wenige Familien dieses Glück hatten und verwies auf andere Schicksale, wie das ihrer Freundin Hava, die aus Griechenland stammt und dort unter sehr schwierigen Bedingungen die Nazi-Herrschaft überlebte. Die ganze Familie wurde über lange Zeit von orthodoxen Priestern versteckt und lebte bis zur Befreiung fast zwei Jahre in großer Angst, bis auch sie nach Palästina auswandern konnte.
Am Ende der beiden Schulstunden gab es Zeit für ein lockeres Zusammensein mit den Schülerinnen und Schüler, die in dieser entspannten Atmosphäre weitere Fragen stellten.
“Das war für uns ein besonderes Ereignis!”
Nach dem Gespräch tauschten die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte der Wöhlerschule ihre Eindrücke über den Besuch von Miriam Liver in ihrem Unterricht miteinander aus. Hier einige der Kommentare:
Für uns war wichtig zu erleben,
- dass Frau Liver und ihr Sohn in freundlicher und offener Weise mit uns sprachen
- dass Frau Liver uns keine Schuld am Schicksal ihrer Familie und allen Verbrechen der Nazis gibt
- dass Frau Liver sich die Mühe macht, mit uns über ihre Vergangenheit zu sprechen, sodass wir besser verstehen, wie das Leben damals war
- dass Frau Liver offenbar keine Vorbehalte gegen Deutschland hat
- dass sie so gut Deutsch spricht, obwohl sie aus Deutschland fliehen musste, noch bevor sie überhaupt zu sprechen anfing
Für uns war überraschend,
- dass Frau Liver so humorvoll über ihr Leben erzählt hat
- dass sie so gut Deutsch spricht und versteht, als ob sie in Deutschland aufgewachsen wäre
- dass ihr Sohn sie begleitet hat, der sich sehr für die Vergangenheit seiner Familie interessiert
Was wir gerne noch fragen möchten:
Liebe Frau Liver,
- … könnten Sie sich vorstellen, in Deutschland zu leben?
- … warum haben Sie Deutsch als Familiensprache immer weiter gesprochen?
- … Sehen Sie sich selbst als Zeitzeugin?
„Wir erlebten eine Woche angefüllt mit Erlebnissen, die uns oft sehr rührten“
An die Stadt Frankfurt
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen herzlichen Dank für eine wunderbare Woche, die wir Ihnen zu verdanken, gemeinsam verleben konnten. Sie war ein ganz besonderes und unvergessliches Geschenk.
Für mich war dies nicht der erste Besuch in Frankfurt, ich wusste, wohin ich fuhr, da ich 1958 meinen Vater dort besucht hatte. Mein Vater, Doktor Selmar Spier war 1956 nach Frankfurt zurückgekehrt, da er seine Arbeitsgenehmigung als Rechtsanwalt zurückerstattet bekommen hatte und Arbeit in der „United Restitution Organization“ (URO) erhalten hatte.
1958 kam ich ihn besuchen, und er zeigte mir damals SEIN Frankfurt: Seine Lieblingsplätze und außerdem Orte, die für unsere Familie Wichtigkeit hatten.
Ich weiß nicht, ob es noch einen anderen Menschen auf der Welt gibt, der Frankfurt so sehr geliebt hat. Er ist mit Freuden dorthin zurückgekehrt trotz all dem Schweren, was er in den Jahren zwischen 1933 und 1945 als Bauer in Ramot HaShawim in Israel durchmachen musste. Er war sehr traurig über die Zerstörung der Altstadt Frankfurts.
Meine Mutter, Marlene Spier Hermann, gebürtig aus Luckenwalde konnte nicht meinen Vater begleiten, da sie ihrer Karriere nachging als Direktorin der Physiotherapeutischen Abteilung in einem großen Rehabilitationszentrum in Israel. Seit sie durch ihre Heirat nach Frankfurt gekommen war, hatte sie bis zu ihrer Auswanderung an der Frankfurter Universität Medizin studiert. Sie hat dieses Studium aus bekannten Gründen damals nicht abschließen können, und hat deshalb in Israel als Physiotherapeutin gearbeitet.
Mein Besuch dieses Mal war sehr wichtig für mich, denn auch mein jüngster von drei Söhnen kam mit. Dieses Mal war ich es, die ihn in den Fußspuren meines Vaters durch die Stadt mit den Geschichten der Familie führen konnte.
Ich verspüre eine hohe Wichtigkeit darin, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, meinem Sohn die Wurzeln seiner Familie von Nahem zu zeigen, und mache somit weiter in dem, was mein Vater angefangen hatte.
Ich habe mich sehr gefreut zu sehen, wie er reagierte, wo doch alles so neu für ihn war und so spannend. Er hat sich richtig mit seinen Wurzeln verbunden, mit einer so anderen Welt, die er nicht kannte.
Der Höhepunkt war die Reise, die Frau Christa Fischer und Frau Gabi Kunhenn nach Merzhausen organisiert hatten. Ich war ganz verwundert, wie wir wie wichtige Persönlichkeiten empfangen wurden. Trotz Regen hat man uns in einer Rundführung durch Merzhausen begleitet. Man zeigte uns, wo früher die Synagoge gestanden hatte, und einer der älteren Einwohner gab mir eine Zeichnung von der Synagoge vom Jahre 1900.
Anschließend haben wir den Friedhof besucht und haben viele Gräber der erweiterten Spierfamilie gefunden. Man gab uns ein gutes Mittagessen, ein herzliches und ehrenvolles Willkommen – einfach ganz besonders!!!
Wir haben auch den jüdischen Friedhof besucht, den Teil, in welchem die jüdischen Helden des Ersten Weltkrieges beerdigt sind. Sie starben in dem Glauben, dass sie für ihre Heimat sterben. Leider habe ich festgestellt, dass ihre Namen fast nicht mehr zu lesen sind und die Wand, auf welcher ein Vers aus dem Alten Testament in Hebräisch geschrieben ist, zerbrochen ist. Ich würde Ihnen zu Dank verpflichtet sein, wenn Sie vielleicht anlässlich des Gedenkens, dass vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg ausbrach, diese Grabschriften und Platte restaurieren würden.
Wir sind voller Hoffnung, dass dieses Projekt weitergeführt wird, um noch weiter jungen Menschen zu ermöglichen, ihrer Familiengeschichte näher zu kommen, und außerdem ein Deutschland zu sehen, welches sich seiner Vergangenheit bewusst ist, die Vergangenheit erhält und eine neue Zukunft baut. Wir erlebten eine Woche angefüllt mit Erlebnissen, die und oft sehr rührten. Wir haben viele Menschen aus aller Welt getroffen, was uns jedoch verband ist unsere Religion, Geburtsort und die Tatsache, dass wir es schafften, noch zeitig das Land zu verlassen, welches unseren Vorvätern wie ihre Heimat war.
Ihre Initiative, uns einzuladen und diesen Besuch zu gestalten, war wunderbar. Wir lernten liebe Menschen kennen.
Mit herzlicher Dankbarkeit und Segenswünschen
Miriam und Boaz Liver und Hava Hallel