Kurzbiographie

Name:
Wolfgang Gleissberg

  • geb. 1903 in Breslau
  • Astrophysiker, bis 1933 Assistent an der Sternwarte in Breslau
  • 1933 Entlassung wegen eines jüdischen Großvaters
  • 1934 Emigration in die Türkei, Aufbau der Sternwarte der Universität Istanbul
  • 1934 heiratet er in der Türkei seine Verlobte Charlotte Michael
  • 1958 Rückkehr nach Deutschland, Leitung des Astronomischen Instituts in Frankfurt
  • 1986 stirbt Wolfgang Gleissberg in seinem Wohnort Oberursel
  • Heute erinnert in Istanbul das „Wolfgang-Gleissberg-Zimmer“ an seine Tätigkeit dort

Tochter:
Ingrid Oppermann, geb. 1938 in Istanbul


Quellen:

  • Wilhelm Kegel, Wolfgang Gleißberg, in: Klaus Bethge/ Horst Klein: Physiker und Astronomen in Frankfurt, Hrsg: Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Physik, Neuwied 1989, S. 209-216
  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
  • Informationen von Ingrid Oppermann
  • Angelika Rieber, Zuflucht in der Türkei: Wolfgang Gleissberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel, Heft 53, 2014, 103 – 106 (s. Download unter dem biographischen Eintrag)

Fotos:
Ingrid Oppermann (IO)

Text:
Angelika Rieber

Wolfgang Gleissberg

Zuflucht in der Türkei

von Angelika Rieber

Wegen eines jüdischen Großvaters entlassen

Wolfgang Gleissberg, 1903 in Breslau geboren, zeigte schon früh Interesse an Astronomie. Nach seinem Abitur studierte er Mathematik, Astronomie und Physik in Berlin und Breslau. Seine Laufbahn als Wissenschaftler begann er mit einer Assistentenstelle am Mathema­tischen Seminar, ab 1927 war er an der Sternwarte in Breslau.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten führte zu einem tiefen Einschnitt in Gleissbergs Leben. Wegen eines jüdischen Großvaters wurde er im Sommer 1933 vom Ministerium des Amtes enthoben, konnte aber noch bis Ende des Jahres an der Sternwarte arbeiten. Der Breslauer entschloss sich, Deutschland zu verlassen und emigrierte in die Türkei. Seine Verlobte, Charlotte Michael, folgte ihm. Die beiden heirateten 1934 in Istanbul.

Neue Wirkungsstätte in Istanbul

An der neu gegründeten Universität in Istanbul erhielt Gleissberg eine neue Wirkungsstätte am Institut für Astronomie, das von Erwin Freundlich, ebenfalls Emigrant aus Deutschland, geleitet wurde. Im Herbst 1933 stammten 30 von 87 Professoren an der neu gegründeten Universität in Istanbul aus Deutschland, darunter 8 Professoren aus Frankfurt.

Da es in Istanbul vorher keine entsprechende Fakultät gegeben hatte, waren Gleissberg und Freund­lich vor die Aufgabe gestellt, dieses Gebiet neu einzuführen, aufzubauen und ein Lehrbuch in türkischer Sprache zu verfassen.

1948 wurde Gleissberg zum Professor und zum Leiter der Sternwarte ernannt. Diese Funktion hatte er bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland 1958 inne. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, dass die Istanbuler Sternwarte nach seinem Weggang ohne ausländische Hilfe weitergeführt werden konnte.

In der Türkei hatte sich Gleissberg große Anerkennung erworben, was beispielsweise 1981 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Istanbul zum Ausdruck kam. In der Türkei hatte sich die Familie auch in der Evangelischen Gemeinde in Istanbul engagiert.

Rückkehr nach Deutschland

Obwohl Gleissberg im April 1947 einen Ruf der Universität Berlin erhielt, konnte er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschließen, nach Deutschland zurückzukehren.
Willy Hartner, Direktor des Instituts für Geschichte der Naturwissenschaften, bemühte sich darum, das Fach Astronomie wieder in das Lehrprogramm der Universität Frankfurt aufzunehmen.

Da Gleissberg sich 1957 ent­schieden hatte, nach Deutschland zurückzukehren und gleichzeitig aufgrund der Wiedergutmachungsregelungen ein Gehalt aus Bundesmitteln erhielt, ergab sich so die Möglichkeit für ihn, in Frankfurt zu arbeiten.
Zunächst als Honorarprofessor tätig, übernahm Gleissberg 1960 die Leitung des Astronomischen Instituts. Vorübergehend ließ sich Gleissberg 1965/66 beurlauben, um eine Lehrstuhlvertretung in Ankara zu übernehmen. 1977 schied er aus Alters- und Gesundheitsgründen aus.

In Istanbul bleibt die Erinnerung an Wolfgang Gleissberg lebendig

Nach der Rückkehr aus der Türkei zogen Charlotte und Wolfgang Gleissberg nach Oberstedten, heute Stadtteil von Oberursel. Dort betätigte sich Wolfgang Gleissberg aktiv in der Kommunalpolitik und schrieb im Mitteilungsblatt der Gemeinde Oberstedten Artikel über seine Erfahrungen in der Türkei.

Am 23.8.1986 starb Wolfgang Gleissberg in seinem Haus in Oberursel-Oberstedten. Dort ist er auf dem Waldfriedhof beerdigt.
In Istanbul bleibt die Erinnerung an ihn lebendig. Im Beisein der Tochter Ingrid Oppermann wurde 2009 zu Ehren ihres Vaters in der Sternwarte der Istanbuler Universität das Wolfgang Gleissberg-Zimmer eröffnet.

Angelika Rieber, Zuflucht in der Türkei, Wolfgang Gleissberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel , Heft 53, 2014, S. 103 - 106.PDF
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